Filme schauen vor den Schulferien: Lehrerin kritisiert Tradition
An vielen Schulen ist es Tradition, am letzten Tag vor den Ferien Filme zu schauen. Doch in Zeiten von Netflix und Achtjährigen mit Handys sorgt das für Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür – an vielen Schulen Zeit für Filmlektionen.
- Doch eine Lehrerin fragt sich, ob Filmeschauen vor den Ferien noch zeitgemäss ist.
- Denn: Kinder haben heute ohnehin schon «sehr viel Bildschirmzeit».
Weihnachten steht vor der Tür, in wenigen Tagen gehen die Schulen zu. Zeit für einen Film in den letzten Lektionen vor den Ferien! Kennen Sie noch? So geht es den meisten. Doch eine Lehrerin sieht die Tradition nun kritisch.
Diana Stadelmann von der Schule Morgarten ZG sagt zu Nau.ch: «Früher war es etwas Besonderes, einen Film, den man sonst nur im Kino sehen konnte, in der Schule zu sehen. Heute stehen allen Kindern alle Filme offen, und sie haben sehr viel Bildschirmzeit.»
Da findet sie die Tradition wenig zeitgemäss – und zeigt den Kids deshalb keine Filme mehr.
Ausser, sie können davon etwas lernen. «Ich setze Videos nur ein, wenn der Inhalt eine Bereicherung ist, beispielsweise Lernvideos zum Thema Weltreligionen, Hindutempel, Holi-Fest. Solche Bilder sehen die Kinder sonst selten.»
Filme schauen ist «reiner Konsum»
Also nichts mit «Kevin – Allein zu Haus» oder «Buddy, der Weihnachtself». Stadelmann gibt zu bedenken: «Ich frage mich, ob die Zeit nicht sinnvoller genutzt werden sollte. Zum Beispiel mit Spielen, Theater oder gemeinsamem Backen.» Sie habe die Erfahrung gemacht, dass das von Kindern sehr geschätzt werde.
Die Vorteile dieser Aktivitäten: «Die Kinder machen etwas gemeinsam, das gemeinsame Erleben steht im Vordergrund. Filmgucken ist ohne Kommunikation reiner Konsum.»
«Rituale sind wichtig»
Die oberste Lehrerin der Schweiz, Dagmar Rösler, bestätigt auf Anfrage von Nau.ch, dass es die Filmstunden in den letzten Lektionen vor den Ferien noch immer gibt. «Man kann da tatsächlich geteilter Meinung sein», findet auch sie.
Persönlich findet sie aber: «Es kann durchaus auch ein Gemeinschaftserlebnis sein, zusammen einen altersgerechten Film zu schauen.» Es würden ausserdem oft Filme mit Bezug zu einem Unterrichtsthema geschaut.
Filme sind aber nicht das einzige geläufige Vor-Ferien-Programm an Schweizer Schulen. Rösler zählt auf: «Besuche im Sportzentrum, im Wald, beim Imker und so weiter. Oder auch Werken, Backen und Kochen haben selbstverständlich Platz in Speziallektionen.»
Auch der Kinder- und Jugendpsychologe Philipp Ramming sieht Filmlektionen wenig kritisch. Für ihn ist klar: «Rituale sind wichtig. Der Film vor den Ferien ist ein Ritual, das das Semester abschliesst.» Dieses Ritual komme auch daher, «dass niemand für den letzten Tag noch grosse Anstrengungen machen will».
Ramming fragt sich aber, ob Backen oder Spiele tatsächlich besser seien. «Man kann ja dagegen halten, dass Kinder ständig gamen und Spiele möglicherweise Konkurrenzdenken und Egoismus fördern. Und die Ergebnisse von Backorgien stapeln sich in den diversen Haushalten bis Ostern.»
Er findet deshalb: «Warum nicht einfach die Kinder entscheiden lassen?»