Frauen nerven sich, weil Beiz-Rechnung zum Mann kommt
Eine Leserin beklagt, dass die Restaurant-Rechnung immer automatisch zum Mann komme. Laut einem Experten gibt es eine einfache Faustregel für Kellner.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Nau.ch-Leserin beklagt, dass der Mann die Rechnung bekommt – auch wenn sie fragt.
- Schweizer Restaurants handhaben das Problem unterschiedlich.
- Laut einem Experten gibt es aber eine einfache Faustregel.
«Es passiert mir nur in männlicher Begleitung – und es nervt»: Nau.ch-Leserin Yvonne L.* (33) fühlt sich in Schweizer Restaurants diskriminiert. Es geht ums Bezahlen.
Denn: «Immer, wenn ich mit einem Mann essen gehe, kriegt er am Schluss die Rechnung.» Wenn sie mit einer anderen Frau unterwegs sei, lege der Kellner die Rechnung hingegen meist in die Mitte.
Peinliche Situation
«Auf mich wirkt das so, als könne ich nicht selbst zahlen. Das möchte ich aber», so die Zürcherin. Dabei sei es völlig egal, ob sie mit ihrem Bruder, ihrem Freund oder einem Kollegen dasitze.
Die Situation habe auch schon zu peinlichem Zögern geführt. «Weil der Kollege dachte, er sei jetzt gezwungen, mich einzuladen.»
Eine Umfrage auf der Nau.ch-Redaktion zeigt: Viele junge Frauen kennen die Situation – und stören sich an der Bevormundung.
Was sagen die Betriebe?
«Die Gepflogenheiten haben sich in den letzten Jahrzehnte stark geändert», erklärt Riccardo Andina, Gastronomieleiter des Widder Restaurants in Zürich. «Es gibt ja zum Beispiel auch noch die Regel, dass man der Frau zuerst Wein einschenken sollte.»
Bei dem Zürcher Sternerestaurant sehe man das aber viel lockerer, so Andina. «Wir legen die Rechnung oft in die Mitte des Tisches», sagt er. Auch bei der Weinkarte, die traditionell eher der Mann erhalten würde, bekomme sie jeweils die Person, die danach frage.
Manche Gäste mögen es klassisch
Die Mitarbeitenden im Service müssten aber auch die Situation lesen können. «Es gibt auch Gäste, oft ältere Paare, die es eher klassisch mögen», so Andina.
«Im Gästeservice merken wir immer wieder, dass das traditionelle Rollenbild gesellschaftlich noch im Kopf vieler Gäste verankert ist.» Das bestätigt auch Daniel Wiesner von der Familie Wiesner Gastronomie. Entsprechend würden sich «traditionelle Zahlungsformalitäten» natürlich ergeben.
Jedoch würden diese vonseiten der Restaurantmitarbeitenden «nicht forciert», glaubt Wiesner. Es erhalte die Person die Rechnung, die danach frage.
Einfache Faustregel für Restaurants
Laut Beat Jost, Berufskundelehrer für Restaurantfachleute an der gibb Berufsfachschule Bern, steht zu diesem Thema nichts im Lehrplan. «Aber die Faustregel besagt, dass immer der Gastgeber die Weinkarte und Rechnung bekommt. Das ist die Person, die reserviert hat, egal ob Mann oder Frau», erklärt er.
Dies würden laut Jost auch die Auszubildenden lernen. «Aber in der Praxis ist es natürlich schwieriger», meint er. Wenn es keine Reservation gebe, sollten Servicemitarbeitende die Rechnung der Person geben, die danach fragt.
«Auch Tischkommunikation ist sehr wichtig. Man kann auch hingehen und fragen: ‹Wem darf ich die Weinkarte geben?›», so der Berufskundelehrer.
Das von Jost beschriebene Vorgehen ist auch gemäss Gastrosuisse am idealsten. Gegenüber Nau.ch schreibt der Verband: «In unseren Seminaren wird zudem gelehrt, dass vor dem Erstellen der Rechnung geklärt werden muss, ob alles zusammen bezahlt wird, oder ob der Betrag aufgeteilt wird.»
*Name der Redaktion bekannt