Frauenstreik: Deshalb kämpft Seniorin (71) weiter
Auch dieses Jahr findet am 14. Juni ein Frauenstreik statt. Eine Protestlerin erklärt, warum sie nach rund 50 Jahren noch immer für Gleichberechtigung kämpft.
Das Wichtigste in Kürze
- Regula Keller aus Bern setzt sich seit über 50 Jahren für Frauenrechte ein.
- Sie geht auch am 14. Juni auf die Strasse – in ihren Augen hat sich noch zu wenig getan.
- In der Theorie habe sich viel verändert, doch bei der Umsetzung hapere es.
Regula Keller ist 71 Jahre alt. Fast ihr ganzes Leben lang hat sie sich für Gleichberechtigung eingesetzt – so auch am diesjährigen Frauenstreik. Im Gespräch mit Nau.ch erklärt sie, weshalb sie weiter kämpft und was sie noch immer «hässig macht».
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich einiges getan in Sachen Frauenrechten. Doch vieles davon nur auf dem Papier, ist Regula Keller überzeugt. «Das Problem ist die Umsetzung», sagt sie.
«Das sieht man etwa bei der Lohngleichheit, die ja gesetzlich längst gewährleistet ist. In Wirklichkeit haben Frauen aber noch immer rund 20 Prozent weniger Lohn», so die Frauenrechtlerin.
Auch sie selbst war schon von Lohnungleichheit betroffen: Als sie 1970 ihre Karriere als Lehrerin begann, verdiente sie weniger als ihre männlichen Kollegen. Damals war das allerdings erlaubt – erst drei Jahre später wurde in Bern die Lohngleichheit eingeführt. «Ich glaube, das ist vielen nicht bewusst», so Keller.
Seniorin kämpft am Frauenstreik gegen Rentenalter-Erhöhung
1973, das ist lange her, könnte man argumentieren. Nicht selten hört man schliesslich auch die Meinung, Frauen seien heute gleichberechtigt. Eine Aussage, die Keller nicht versteht – «das macht mich hässig», sagt die Bernerin.
«Gerade beim Lohn heisst es dann auch, Frauen würden eben einfach nicht gut verhandeln. Warum sagt ein Unternehmen nicht einfach: ‹Wir sind für Gleichberechtigung, bei uns verdienen alle Angestellten gleich viel›?»
Aktuell ist dieses Jahr die mögliche Angleichung des Frauenrentenalters an das Männerrentenalter bei 65 Jahren. Eigentlich wäre das ja Gleichberechtigung – trotzdem demonstrieren Keller ihre Mitstreiterinnen am Frauenstreik dagegen.
Das hat seine Gründe, so die frühere Schulleiterin: «Die Frauenrenten unterscheiden sich stark von den Männerrenten, weil viele Frauen wegen der Familie kleinere Pensen haben. Hinzu kommt, dass typische Frauenberufe schlechter bezahlt werden.»
«Konnte nicht abstimmen»
Mit Ungleichheit hat Regula Keller lange Erfahrung. Keller wurde 1950 geboren – als sie mit 20 Jahren volljährig wurde, «konnte ich nicht abstimmen». «Ich bin in einer absolut ungleichen Gesellschaft aufgewachsen. Der Mainstream-Gedanke über Frauen war: ‹Jetzt arbeitet sie noch ein bisschen, dann heiratet sie sowieso.›»
Schon in jungen Jahren sei sie damit nicht einverstanden gewesen und habe sich mit anderen zusammengetan, um dagegen anzukämpfen. Ob am Frauenstreik 1991, 2019 oder 2021 – daran hat sich bis heute nichts geändert.