Weltweiter Klimastreik jährt sich
Vor exakt einem Jahr demonstrierten Millionen Schüler weltweit für den Klimaschutz. Wo ist Greta Thunbergs Bewegung heute? Was hat sie erreicht? Eine Analyse.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor einem Jahr schwänzten Millionen Schüler, um weltweit für das Klima zu demonstrieren.
- Ein Jahr später sind die Klimaaktivisten noch nicht dort, wo sie hinwollen.
- Der Grundstein für eine nachhaltige Veränderung ist aber wohl gelegt.
Am 15. März 2019 ereignete sich Erstaunliches. Über eine Million Schüler weltweit hatten an diesem Freitag die Schule geschwänzt, um sich einer grimmig dreinblickenden, 16-jährigen Schwedin im Kampf gegen den Klimawandel anzuschliessen. Auf der ganzen Welt forderten die mehrheitlich junge Demonstrierenden lautstark «Klimagerechtigkeit» und zwar: «Jetzt!».
Exakt ein Jahr später haben Greta Thunberg und ihre «Fridays for Future»-Bewegung unsere Gesellschaft tatsächlich nachhaltig verändert. Allerdings mussten die Kinder-Aktivisten dafür erst eine bittere Realität akzeptieren: Veränderung passieren in dieser erwachsenen Welt leider nicht einfach so «Jetzt!», sondern schleichend und langsam. Es ist ein bisschen wie das Erwachsenwerden selbst.
Wenig Zählbares
Der 15. März 2019 markierte nicht die Geburtsstunde der Klimaschutzbewegung. Greta Thunberg war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Star: Die damals 15-Jährige hielt in diesem Winter schon eine Rede an der UN-Klimakonferenz in Katowice, diskutierte mit internationaler Prominenz am WEF in Davos und forderte in Brüssel von der EU, dass der CO2-Ausstoss bis 2030 um mindestens 80 Prozent gesenkt wird.
Gemessen an dieser zentralen Forderung werfen Kritiker der FFF-Bewegung vor, ausser einem Sommerloch-Füller für die Medien nicht viel erreicht zu haben. Und es stimmt, dass schlussendlich wenig zu Papier gebracht wurde in diesem Jahr, trotz viel öffentlicher Solidarität für das Anliegen von den Schönen und Mächtigen dieser Welt.
Sinnbildlich dafür steht die 25. Klima-Konferenz in Madrid. Die Abschlusserklärung des Treffens blieb trotz einer zweitägigen Verlängerung vage. Kernpunkte wurden vertagt oder in wenig belastbare Bekundungen gegossen. Die USA hatten dem Klimaabkommen gar den Rücken gekehrt.
Dass das frustrierend für Greta Thunberg und ihre Anhänger sein muss, ist nachvollziehbar. Da marschieren im Frühling Millionen junger Leute für ihre Zukunft los, doch sie werden verlangsamt von der Bürokratie und den Strukturen eines erwachsenen Systems. Diese Frustration gipfelte in einem wütenden Ausbruch Thunbergs an dem UN-Klimagipfel in New York im Spätsommer: «Ihr stehlt uns mit euren leeren Worten unsere Kindheit, unsere Träume», schleuderte sie den Regierungschefs dieser Welt entgegen.
Grundstein gelegt
Zu behaupten, die Klimakids hätten nichts erreicht, ist aber grundlegend falsch. Dank ihnen ist der Klimaschutz innerhalb eines Jahres oben auf den politischen Agenden der Welt angekommen. In Ländern, die im Herbst wählten, hat die «Grüne Welle» zahlreiche Politiker ins Amt gespült, welche sich für den Klimaschutz einsetzen. Auch in der Schweiz.
Viel wichtiger ist aber, dass die Bewegung ein Bewusstsein für den Klimawandel in der Gesellschaft geschaffen hat, das vorher so noch nicht da war. Umweltbewusstsein ist «cool» geworden. Wer viel fliegt, einen Benziner anschafft oder seinen Abfall nicht sauber trennt, muss sich kritische Fragen gefallen lassen.
Wenn dieses Bewusstsein bei einer ganzen Generation beibehalten werden kann, ist immerhin der Grundstein für eine nachhaltige Veränderung schon gelegt. In diese Richtung zeigt auch eine internationale Studie, welche belegt, dass der «Greta-Effekt» nachlässt: Nur noch rund 25 Prozent aller deutschsprachigen Klimakids geben an, dass Greta Thunberg ihre Teilnahme an den Streiks beeinflusst. Der Personenkult wird durch eine Überzeugung abgelöst.
Eine junge Bewegung wird erwachsen
Um ihre Ziele zu erreichen, muss die «Fridays for Future»-Bewegung also dranbleiben. Und dafür, glauben manche Verantwortlichen, muss die Bewegung auch eigene Baustellen bewältigen. Die Klimakids in der Schweiz beispielsweise haben den Winter für eine Restrukturierung genutzt statt weiterzustreiken: Sie wollen durch eine bessere Strategie im 2020 noch mehr erreichen.
Es ist eine erwachsene Entscheidung und zugleich das Eingeständnis, dass die Bewegung an ihre Grenzen stösst, wenn sie sich nicht verändert. Sie hat die Spielregeln verstanden, dagegen rebelliert und passt sich jetzt an. Ob sie so die Politik dazu bringt, sich schneller zu bewegen, wird sich zeigen.