Gaddafis Geisel Max Göldi veröffentlicht Tagebuch der Gefangenschaft

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Aarau,

Max Göldi sass 695 Tage in Libyen fest. Als Geisel von Diktator Gaddafi schrieb er täglich Notizen. Nun hat er das Tagebuch veröffentlicht.

Hannibal Gaddafi trifft sich mit Max Göldi in einem Gefängnis in Tripoli im März 2010.
Hannibal Gaddafi trifft sich mit Max Göldi in einem Gefängnis in Tripoli im März 2010. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • 2008 sass Max Göldi zwei Jahre als Geisel von Diktator Gaddafi in Libyen fest.
  • Nun veröffentlicht der Ex-ABB-Mitarbeiter sein Tagebuch aus der Gefangenschaft.
  • Der 63-Jährige lebt heute mit seiner Frau in Asien.

695 Tage sass Max Göldi in Libyen fest – ein halbes Jahr davon verbrachte er in libyschen Gefängnissen, die restlichen rund eineinhalb Jahre auf der Schweizer Botschaft in Tripolis. Der ehemalige ABB-Manager war die Geisel von Diktator Muammar al-Gaddafi, der damit von der Schweiz Zugeständnisse freipressen wollte und beim Schweizer Bundesrat für manch schlaflose Nacht sorgte.

Nun hat der 63-Jährige acht Jahre nach der Freilassung sein Tagebuch aus damaliger Zeit veröffentlicht. Im Buch «Gaddafis Rache – Aus dem Tagebuch einer Geisel» schildert er die 23-monatige Gefangenschaft in Libyen.

Libysche Polizisten führen am 22. Februar 2010 Max Göldi vor der Schweizer Botschaft in Tripoli ab.
Libysche Polizisten führen am 22. Februar 2010 Max Göldi vor der Schweizer Botschaft in Tripoli ab. - Keystone

Göldi erzählt darin die schwierigen, bizarren und völlig absurden Wendungen in der Libyen-Affäre, schreibt über die Fluchtpläne, die Zeit auf dem Schweizer Konsulat und wie er schliesslich am 14. Juni 2010 in Begleitung der damaligen Aussenministerin Micheline Calmy-Rey in der Schweiz landete und seine Frau in die Arme schliessen konnte.

Die Libyen-Affäre

Am Ursprung der Geiselnahme stand die Verhaftung von Gaddafis Sohn Hannibal und dessen Frau Aline in einem Genfer Nobelhotel. Nachdem zwei Hausangestellte im Juli 2008 den Sohn des Diktators und dessen Ehefrau wegen Misshandlungen angezeigt hatten, stürmten rund 20 Beamte nach einem Handgemenge mit libyschen Sicherheitsmännern des Gaddafi-Sohns das Hotelzimmer und legten Hannibal in Handschellen. Nach etlichen Befragungen kam Hannibal Gaddafi auf Kaution frei.

Doch mit der Verhaftung Hannibals hatte die Genfer Justiz die aussenpolitische Krise bereits ausgelöst. Die Verhaftung wurde von libyscher Seite als grobe Beleidigung empfunden. Dass daraufhin die «Tribune de Genève» die Polizeifotos von Hannibal Gaddafi veröffentlichte, verschärfte den Konflikt zwischen der Schweiz und dem libyschen Machthaber Gaddafi.

Als Rache stoppte der Diktator Erdöllieferungen an die Schweiz, zog sein Vermögen ab, schloss alle Schweizer Unternehmen und verbot der Swiss die Landung und den Schweizer Schiffen das Anlegen in Libyen.

Gleichzeitig nahm Libyen Max Göldi und der schweizerisch-tunesische Doppelbürger Rachid Hamdani als Geisel. Hamdani kam nach 538 Tagen Gefangenschaft frei.

Die beiden Schweizer Max Göldi (r.) und Rachid Hamdani am Mittwoch, 9. Dezember 2009 in der Schweizer Botschaft in Tripolis, Libyen.
Die beiden Schweizer Max Göldi (r.) und Rachid Hamdani am Mittwoch, 9. Dezember 2009 in der Schweizer Botschaft in Tripolis, Libyen. - Keystone

alt Bundesrat März schrieb Vorwort

Im Buch von Göldi kommt auch der damalige Bundesrat Hans-Rudolf Merz zu Wort. Der alt Bundesrat schreibt im Vorwort zum Fall: «Deren Geiselnahme war für die offizielle Schweiz, vor allem aber natürlich für die Angehörigen und die beiden Herren selbst, absolut zermürbend.» Und zum Tagebuch: «Sein Buch ist mehr als die Aufarbeitung der Libyen-Krise, es ist die Geschichte eines Menschen, der sich standhaft weigerte, zum Opfer zu werden.»

Alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz erklärte damals seine Reise nach Libyen, wo er sich mit Diktator Gaddafi getroffen hatte.
Alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz erklärte damals seine Reise nach Libyen, wo er sich mit Diktator Gaddafi getroffen hatte. - Keystone

Merz war es, der damals ohne seine Bundesratskollegen zu informieren nach Libyen reiste, um sich bei Gadaffi zu entschuldigen – jedoch ohne Erfolg. Trotzdem lobt Göldi die Tat von Merz, er habe das einzig Richtige gemacht und nahm, um Geiseln zu befreien, in Kauf, sich zu blamieren.

Hingegen kommt die damalige Aussenministerin Calmy-Rey im Tagebuch nicht gut weg. Sie soll verhindert haben, dass zu Beginn der Krise Bundespräsident Pascal Couchepin mit Gadaffi auf Präsidialebene das Problem löste. Sie soll darauf beharrt haben, dass das Libyen-Dossier bei ihr bleibt. Als Gölid damals an Calmy-Rey eine Mail schrieb, erhielt er nie eine Antwort: «Das werde ich ihr nie verzeihen», schrieb er im Tagebuch.

Sanktionen nach Gaddafi-Tod aufgehoben

Als die Schweiz im November 2009 hochrangige Libyer zu «unerwünschten Personen» im Schengenraum erklärte, konnte die Schweiz erstmals Druck auf die Libyer aufbauen. Die Visa-Streitigkeiten wurden auf Bemühungen der EU beigelegt. Als im April ein Genfer Richter Hannibal Recht gab , dass die Veröffentlichung der Polizeifotos seine Persönlichkeit verletzt habe, dauert es noch knapp einen Monat bis Göldi freikam.

Nicolas Sarkozy
Libyens ehemaliger Diktator Muammar Gaddafi bei einer Rede vor dem Volk in Benghazi, Libyen. - Keystone

Im Zuge des libyschen Bürgerkriegs wurde die Diktatur von Muammar al-Gaddafi 2011 gestürzt und er daraufhin wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen gesucht. Nach dem Tod Gaddafis Ende Oktober 2011 wurden bald sämtliche libyschen Sanktionen gegen die Schweiz aufgehoben.

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