Gegner der «Kostenbremse-Initiative» warnen vor Zweiklassenmedizin
Das Nein-Komitee warnt vor der Annahme der «Kostenbremse-Initiative», die eine Zweiklassenmedizin in der Schweiz begünstigen könnte.
Das überparteiliche Nein-Komitee gegen die «Kostenbremse-Initiative» der Mitte hat am Montag in Bern vor einer Zweiklassenmedizin in der Schweiz gewarnt. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Grundversicherte sei bei einer Annahme der Initiative am 9. Juni nicht mehr garantiert, teilten Vertreterinnen und Vertreter von SVP, SP, FDP, GLP und Grünen sowie des Berufsverbands des Pflegefachpersonals (SBK) und des Hausärzteverbands (MFE) mit.
Die «Kostenbremse-Initiative» sage nicht, wie die Krankenkassenkosten gedrückt werden sollen. «Die Initiative schlägt keine Massnahmen vor, welche das Ausgabenwachstum dämpfen», sagte Nationalrätin Sarah Wyss (SP/BS) an der Medienkonferenz in Bern.
Patienten zahlen jeden dritten Arztbesuch selbst
Das Gefährliche an der Initiative sei derweil der starre Mechanismus, «diese völlig sachfremde Koppelung zwischen BIP und Löhnen und der obligatorischen Krankenpflegeversicherung», sagte Wyss weiter. Die Krankenkassen müssten sich bei einer Annahme der Initiative in Zukunft auf den Kostendeckel berufen.
Dies führe dazu, dass Patienten innerhalb der kommenden 20 Jahre jeden dritten Arztbesuch aus der eigenen Tasche bezahlen müssten. Wäre die Kostenbremse im Jahr 2000 eingeführt worden, übernähme die Grundversicherung heute 37 Prozent aller Leistungen nicht mehr, rechnete das Komitee vor. Die Initiative greife somit das solidarische Gesundheitssystem in der Schweiz in seinen Grundprinzipien an.
Grundversicherte Patienten hätte keinen garantierten rechtzeitigen Zugang mehr zur Versorgung. Das Privileg des «zeitlich und therapeutisch sinnvollen Zugangs» wäre laut dem Nein-Komitee den Zusatzversicherten vorbehalten. Das Pflegefachpersonal wie auch Haus- und Kinderärzte befürchten derweil schlechtere Arbeitsbedingungen bei einer Annahme.
Gesundheitskosten durch Lohn- und Personalkosten geprägt
Die Initiative würde zwar die Kostenbremse einführen, zeige aber selbst keinen Weg auf, wie das Kostenwachstum gebremst werden kann. Denn die Gesundheitskosten seien grösstenteils durch Lohn- und Personalkosten – vor allem durch das Pflegepersonal – geprägt. «Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich, der Pflege- und Personalnotstand verschärft sich», sagte Nationalrat Patrick Hässig (GLP/ZH) an der Medienkonferenz.
«Dieser starre Sparkurs, den die Kostenbremse verlangt, ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Gesundheitsbedarf der Bevölkerung, beschränkt die Ressourcen für unsere Gesundheitsversorgung unnötig.» Da, wo die Luft bereits dünn sei, da gehe sie ganz aus, so Hässig. Das Komitee repräsentiert laut eigenen Angaben circa 400'000 Mitarbeitende aus dem Gesundheitswesen.
Hausärzteverbandspräsident Philippe Luchsinger warnte derweil vor fehlenden Finanzmitteln für die Spitäler und das gesamte Gesundheitswesen bei einer Annahme am 9. Juni. Per 1. Januar 2027 würden dem Gesundheitswesen laut Luchsinger demnach zwischen einer und zwei Milliarden Franken fehlen. «Die Spitäler werden als Erstes aufschreien. Ihnen fehlt schon heute das Geld und sie werden mit Steuergeldern gerettet werden müssen.»
Kostendämpfende Massnahmen durch Bund und Kantone
Auch warnte Luchsinger vor einer Abwanderung von Ärztinnen und Ärzten aus der Schweiz bei einer Annahme der Initiative – und damit vor einem sich verstärkenden Fachkräftemangel. Die «Kostenbremse-Initiative» der Mitte verlangt die Einführung einer Kostenbremse in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
Liegt die Steigerung der durchschnittlichen Kosten je versicherte Person und Jahr in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zwei Jahre nach Annahme der Initiative mehr als ein Fünftel über der Entwicklung der Nominallöhne und haben die Tarifpartner – also Kantone, Spitäler, Ärzteschaft, Krankenkassen und Pharmabranche – bis zu diesem Zeitpunkt keine Massnahmen ergriffen, müssen Bund und Kantone kostendämpfende Massnahmen beschliessen.
Die Massnahmen müssen im folgenden Jahr wirken. Wie stark die Kosten längerfristig steigen dürfen, muss das Parlament im Gesetz festlegen. Die genaue Ausgestaltung der Kostenbremse und der Massnahmen werden muss das Parlament im Gesetz regeln. Bundesrat, Parlament und Kantone anerkennen die Wichtigkeit der Kostendämpfung, lehnen die Initiative aber ab.