«Gewichtige Mängel»: Moutier-Abstimmung von 2017 ist annulliert
Die Abstimmung von Juni 2017 über den Kantonswechsel Moutiers vom Kanton Bern zum Kanton Jura ist ungültig. Das hat die Regierungsstatthalterin des Berner Juras entschieden.
Statthalterin Stéphanie Niederhauser hiess damit mehrere Abstimmungsbeschwerden gut. In einer Mitteilung vom Montag begründet Niederhauser ihren Entscheid in erster Linie mit dem Verhalten der Gemeinde Moutier und des Stadtpräsidenten von Moutier vor der Abstimmung vom 18. Juni 2017.
Die Behörden von Moutier hätten zwar durchaus das Recht, vor einer solchen Abstimmung Stellung zu beziehen. Doch habe eine Behörde verhältnismässig, objektiv und transparent zu sein. Im vorliegenden Fall könnten die Auftritte der lokalen Behörden aber gleichgesetzt werden mit unzulässiger Propaganda. Sie seien geeignet gewesen, die Meinung der Wählerschaft in die Irre zu führen.
Die Gemeinde Moutier habe beispielsweise den Eltern von Kindern der lokalen Tagesschule mitgeteilt, auch nach einem Wechsel Moutiers zum Kanton Jura würden alle heutigen Angebote weitergeführt. Das geht aus dem 88-seitigen, am Montag veröffentlichten Entscheid der Statthalterin hervor.
Moutiers Behörden hätten dabei nicht erwähnt, dass der Kanton Jura, anders als der Kanton Bern, die Gemeinden nicht dazu verpflichtet, eine Tagesschule zu führen. Insofern habe es für die Fortführung der Angebote keine Garantie gegeben.
Wählerliste zu spät abgegeben
Die mangelhafte Kommunikation allein würde genügen, um die Abstimmung über den Wechsel von Moutier vom Kanton Bern zum Kanton Jura aufzuheben, sagt Niederhauser weiter. Denn das Bundesgericht habe kürzlich hohe Anforderungen an eine objektive, transparente und verhältnismässige Behördenkommunikation vor Abstimmungen formuliert.
Im Fall der kommunalen Abstimmung vom Juni 2017 kämen aber weitere Unregelmässigkeiten dazu. Niederhauser spricht von Abstimmungstourismus, fiktiven Wohnsitzen und «gravierenden Mängeln» in der Abstimmungsorganisation.
Die Statthalterin hebt im Entscheid vor allem hervor, dass die Stadt Moutier die Wählerliste dem Bund, der den Urnengang überwachte, erst am Samstag, dem 17. Juni 2017 überreichte, also am Abstimmungswochenende. Auch hätten die Mitglieder des Wahlbüros von Moutier entgegen einer Anweisung der lokalen Behörden von den Wählenden kein Vorweisen eines Personalausweises verlangt.
Alles in allem könne sie deshalb nicht ausschliessen, so Statthalterin Niederhauser, dass ohne die erwähnten «gewichtigen Mängel» ein anderes Abstimmungsresultat herausgekommen wäre.
Mit ihrem Entscheid reagiert die Statthalterin auf sieben Abstimmungsbeschwerden zum Urnengang von Juni 2017. Eine der Rügen - es geht um eine ähnliche Schrift auf Abstimmungszetteln - hat Niederhauser abgelehnt.
Vier Beschwerden schon vor Abstimmung
Die Stimmberechtigten von Moutier sprachen sich im Juni 2017 mit 137 Stimmen Unterschied für den Wechsel zum Kanton Jura aus. Vier Abstimmungsbeschwerden waren schon vor dem Abstimmungssonntag eingereicht worden, drei gingen nach dem Urnengang ein.
Eine drehte sich um das Schreiben der Stadt Moutier an die Eltern der lokalen Tagesschule, zwei weitere um Äusserungen des projurassischen Stadtpräsidenten Marcel Winistoerfer, eine Beschwerde befasste sich mit dem Stimmregister.
Drei weitere Beschwerden gingen nach dem Urnengang ein. Geltend gemacht wurden dabei eine unvollständige Kontrolle der Stimmrechtsausweise, die angebliche mehrfache Stimmabgabe durch eine einzelne Person sowie angebliche Unregelmässigkeiten bei der schriftlichen Stimmabgabe.
Schon vor dem Entscheid der bernjurassischen Statthalterin über die Beschwerden kündigten sowohl Proberner als auch Autonomisten an, den Entscheid der Statthalterin weiterzuziehen. Damit bleibt die künftige Kantonszugehörigkeit Moutiers weiter in der Schwebe.