Greta Thunberg: Gehen Klima-Kids Terror-Propaganda auf den Leim?
Mit ihrer Meinung zum Israel-Krieg eckt Greta Thunberg an. Damit ist sie jedoch nicht alleine – Experten vermuten ein Social-Media-Problem.
Das Wichtigste in Kürze
- Bei Klima-Anlässen macht sich Aktivistin Greta Thunberg nun auch für Palästina stark.
- Das bringt Kritik: Greta sei «schlecht» und «einseitig» informiert, heisst es.
- Experten warnen, dass sich viele einseitig zum Israel-Krieg informieren.
Greta Thunberg eckt mit ihrem Palästina-Aktivismus an. An einer Klimademo in Amsterdam riss ihr ein Mann gar das Mikrofon aus der Hand – seine Kritik: Bei dem Protest sei es Greta hauptsächlich um Palästina gegangen, nicht ums Klima.
Greta Thunberg ist mit ihrer Meinung in Europa nicht allein. An der Klima-Demo erhielt sie breite Unterstützung. Und an Pro-Palästina-Kundgebungen laufen teilweise Hunderttausende Menschen mit.
«Auf den ersten Blick mag das Ausmass der Solidarität erstaunen», sagt Nahostexperte Andreas Böhm von der Universität St. Gallen zu Nau.ch.
«Aber angesichts der Bilder aus Gaza ist es nachvollziehbar. Auch wenn man sich gewünscht hätte, die Opfer des Hamas-Terrors hätten eine ähnliche Solidarität erfahren.»
«Schwarz-Weiss-Denken»
Ein Grund für starke Pro-Palästina-Haltungen sind laut Böhm sogenannte Single-issue Groups: Gruppierungen, die sich auf ein einzelnes Anliegen konzentrieren – in diesem Fall die Unterstützung Palästinas.
Das Problem dabei: Anders als Parteien, die sich mit vielen Themen auseinandersetzen, müssen sie intern keine Kompromisse finden. «So entsteht ein Schwarz-Weiss-Denken», erklärt Böhm. Auf der Gegenseite gebe es ein ähnliches Phänomen: «Teilweise wird jegliche Solidarität mit Palästina als Solidarität mit der Hamas verunglimpft.»
Tiktok informiert Junge einseitig
Ein weiterer Grund für starke Pro-Palästina-Haltungen ist laut Böhm Social Media. Die Videoplattform Tiktok zeigt beispielhaft, wie unausgewogen die Berichterstattung dort ist: Der Hashtag #standwithisrael (Deutsch: «Steht hinter Israel») hat 448,8 Millionen Aufrufe. #Standwithpalestine («Steht hinter Palästina») dagegen hat ganze vier Milliarden Klicks.
Auswirkungen hat das vor allem auf die Meinung jüngerer Menschen: «Sie holen sich ihre Informationen häufiger aus Sozialen Medien. Ältere eher von Qualitätsmedien», sagt Böhm.
Auch Medienforscher Patric Raemy von der Universität Freiburg warnt davor, Social-Media-Kriegsmeldungen zu vertrauen. «Es gilt das alte Zitat: ‹Das erste Opfer des Kriegs ist immer die Wahrheit.›» Beide Kriegsparteien würden gezielt versuchen, die Meinung der eigenen Bevölkerung und auch der im Ausland zu beeinflussen.
Es gibt aber Unterschiede: «Israel muss als Demokratie die Invasion im Gazastreifen bei der eigenen Bevölkerung und den ausländischen Partner rechtfertigen.» Deshalb werde Israels Kommunikation punkto Wahrheit tendenziell stärker beobachtet als die der Hamas, die viele Länder als Terrororganisation einstufen. «Trotzdem wird von beiden Seiten Propaganda gemacht.»
Greta Thunberg «schlecht informiert»
Auch Greta Thunberg wird vorgeworfen, einseitig informiert zu sein. Israelische Umweltschützerinnen und -schützer kritisierten in einem offenen Brief: Ihre Gaza-Posts seien «erschreckend einseitig, schlecht informiert und oberflächlich».
Ob das stimmt, kann Raemy nicht beurteilen. «Aber gerade in diesem langjährigen Konflikt ist es extrem heikel, nur die Position von einer Kriegspartei zu unterstützen. Ebenfalls ist es heikel, an einer Klimademonstration ein anderes hochkomplexes Thema einzubringen und dazu öffentlich Position zu beziehen.»
Wichtig wäre Empathie für «beide Seiten»
Zu Kriegszeiten ist es also schwierig, an zuverlässige Informationen zu kommen. Was laut Böhm aber alle über den Konflikt wissen sollten, ehe sie sich eine Meinung bilden: «Der Konflikt lässt sich nicht gewaltsam – egal von welcher Seite – sondern nur politisch lösen.»
Dafür müssten beide Seiten die «berechtigten Anliegen» der Gegenseite anerkennen. «Sicherheit des Staates Israel und Selbstbestimmung der Palästinenser. Bisherige Versuche in diese Richtung sind alle gescheitert. Wenn dies aber nicht gelingt, wird sich die Spirale der Gewalt weiter drehen.»
Für den Experten steht fest: «Wichtig wäre, Empathie für die berechtigten Anliegen beider Seiten zu entwickeln, um diesem Teufelskreislauf vielleicht doch zu entkommen.»