Grosse Corona-Krise in Drogenszene blieb aus
Plötzlich war alles zu. Der Corona-Lockdown ging auch an der Drogenszene nicht spurlos vorbei. Doch die Auswirkungen waren weniger stark als vermutet.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Krise nimmt auch Einfluss auf die Drogenszene.
- Nur wenige Anlaufstellen konnten während dem Lockdown offen bleiben.
- Doch es gab in Bern keinen einzigen Fall – und auch der Markt blieb stabil.
Halten Sie Abstand, bleiben Sie zu Hause! Die Botschaft des BAG während des Corona-Lockdown war klar. Doch was ist mit denen, die keinen festen Wohnsitz haben?
Klar ist: Die Corona-Pandemie geht auch an der Drogenszene nicht spurlos vorbei. «In Zeiten wie diesen geht es den Schwächsten oft am schlechtesten», so Bubi Rufener, Leiter der Drogenanlaufstelle der Stiftung Contact in Bern.
«Auch bei der Anlaufstelle mussten wir die Schutzmassnahmen einhalten», so Rufener zu Nau.ch. Das bedeutete viel Plexiglas, eine Maskenpflicht für Mitarbeitende und weniger Platz. «Wir mussten das ganze Angebot etwa um die Hälfte reduzieren.»
Nur wenige offene Anlaufstellen
Rufener ist stolz darauf, was sein Team geleistet hat. «Das Worst-Case-Szenario, die Schliessung der Anlaufstelle an der Hodlerstrasse, konnte verhindert werden!» Möglich gemacht hat das auch die Stadt Bern, die unkompliziert zusätzlichen Platz zur Verfügung gestellt habe.
Umso bemerkenswerter, da rundum fast alles geschlossen werden musste. Viele Anlaufstellen waren zu, Gefängnisse entliessen Risikopatienten. So seien plötzlich viele Leute aus Gefängnissen, Psychiatrien und auch anderen Kantonen aufgetaucht.
«Unsere Klienten waren vor allem froh, dass wir überhaupt noch offen hatten», so Rufener zu Nau.ch. Dementsprechend hätten sie gut mitgeholfen und die Regeln eingehalten.
Kein einziger Corona-Fall in Berner Drogenszene
Überraschenderweise ist es in Bern zu keinem einzigen Corona-Fall gekommen – weder bei den Mitarbeitenden, noch bei den Menschen mit Suchtproblematik. «Die Pandemie ist irgendwie nicht richtig in diese Bevölkerungsgruppe gekommen, obwohl viele drogenabhängige Personen zu den Risikopatienten gehören», so Rufener. Das habe ihn überrascht.
Das sei nicht nur in Bern so gewesen, bestätigt Frank Zobel von Sucht Schweiz. «Das war ja eine der grossen Befürchtungen am Anfang. Doch es gab auch in anderen Städten nur sehr wenige Fälle», so der Vizedirektor von Sucht Schweiz. Wieso, kann niemand so richtig begründen.
«Allgemein sind die Betroffenen sehr unterschiedlich mit der Situation umgegangen», so Zobel. Für einige war es eine gute Pause, andere hat die Pandemie stark gestresst.
Belastende Situation für Süchtige
Das bestätigt auch Bubi Rufener von der Drogenanlaufstelle der Stiftung Contact. «Für Leute mit psychischen Problemen war es eine schwierige Zeit».
Plötzlich waren keine Menschen mehr auf der Strasse. Das habe vielen drogenabhängigen Menschen ein Gefühl des ausgestellt seins gegeben. «Das war offenbar sehr belastend», so Rufener.
Auch Betteln gestaltete sich als schwierig, wenn kaum jemand draussen war. Doch das Personal der Anlaufstelle hat kein zusätzliches Gewaltpotenzial beobachtet. «Die Aggressivität nahm nicht zu», so Rufener.
Geschlossene Grenzen haben Drogenmarkt nicht beeinflusst
Auch der Drogenmarkt hat sich nicht stark verändert, entgegen der Prognose von Sucht Schweiz. «Geschlossene Grenzen, weniger Verkehr und mehr Polizisten auf den Strassen hatten nur wenig Einfluss», so Vizedirektor Frank Zobel.
Der Konsum sei wahrscheinlich leicht gesunken, Preis und Reinheitsgrad seien aber gleich geblieben. Mit einer Ausnahme: «Bei Cannabis gab es Engpässe», so Zobel.
Obwohl die Drogenszene also von den Einschränkungen stark betroffen war, kam es nicht zu grossen Veränderungen: Weder beim Marktpreis noch bei den Süchtigen. Und glücklicherweise auch nicht zum grossen Corona-Ausbruch.