Einer Mutter passiert es während ihrer Schwangerschaft mehrmals: Ärzte denken laut über mögliche Krankheiten ihres Babys nach – ungefragt. Das sorgt für Kritik.
Ultraschall
Spontane Ärzte-Kommentare über das Baby während dem Ultraschall sorgen für Kritik. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Einige Ärzte teilen spontan jeden Gedanken während des Ultraschalls mit Schwangeren.
  • Das sorgt für Kritik – denn: unüberlegte Äusserungen können Eltern grosse Sorgen bereiten.
  • Eine Betroffene erzählt: «Manchmal hatte ich Panik.»
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Tamara Arnold* passiert es in ihrer Schwangerschaft gleich mehrmals: Während des Ultraschalls schaut die Frauenärztin in Bern auf den Bildschirm und kommentiert, was sie sieht. So weit, so gut – doch mit ihrem lauten Denken löst sie bei der jungen Frau grosse Sorgen aus.

«Einmal meinte sie zum Beispiel, mein Kind habe ja ganz kleine Hände», erzählt sie Nau.ch. Die Ärztin habe von einer grösseren Abweichung von der Durchschnittkurve gesprochen, sei aber nicht näher darauf eingegangen.

Arnold kann die Aussage nicht einordnen. Zu Hause denkt sie immer wieder darüber nach, ob das jetzt bedeuten könnte, dass ihr Kind eine Krankheit habe.

«Müssten eigentlich entwickelt sein»

Bei einer anderen Behandlung geschieht es erneut. Diesmal sagt die Frauenärztin: «Ich sehe gar keine Hoden bei ihrem Sohn. Dabei müssten die jetzt eigentlich entwickelt sein.» Auch diesmal – mehr dazu sagen, kann sie nicht.

Ein weiteres Mal habe eine Ärztin vorgerechnet, ihr Sohn habe ein erhöhtes Risiko für eine Nierenkrankheit. An die exakten Zahlen erinnert sie sich nicht mehr.

Schwangerschaft
Nau.ch-Leserin Tamara Arnold erzählt: «Manchmal hatte ich Panik» wegen unüberlegter Ärzte-Aussagen über ihr Baby. (Symbolbild)
Arzt
Sie erinnert sich an eine Aussage einer Ärztin: «Einmal meinte sie zum Beispiel, mein Kind habe ja ganz kleine Hände, das sei ungewöhnlich.» (Symbolbild)
Ultraschall
Eine andere Betroffene berichtet, ihr Arzt habe ihr während dem Ultraschall spontan gesagt, sie habe einen grossen Tumor – dabei war da gar nichts. (Symbolbild)
Thomas Eggimann
Für Gynäkologe Thomas Eggimann ist klar: Auf diese Art sollten Ärztinnen und Ärte nicht mit Schwangeren reden.
Gyn
Sowieso dürfe man in der Geburtshilfe grundsätzlich optimistisch sein: «Zum Glück kommt es ganz häufig gut», sagt Eggimann. (Archivbild9

Aber: «Die Aussagen haben mich beschäftigt – manchmal hatte ich Panik, dass wirklich etwas nicht gut ist mit dem Baby.» Sie fragt sich, warum ihr solche Gedanken überhaupt ungefragt mitgeteilt wurden. «Schliesslich hätte ich ja eh nichts tun können, um das Risiko zu verkleinern.»

Arzt sagt Schwangerer, sie habe Mega-Tumor – aber da ist nichts

Ähnliches hat die Bündner Nau.ch-Leserin Martina Caflisch* in der Schwangerschaft erlebt. «Während dem Ultraschall sagte mir der Arzt, ich hätte einen Tumor so gross wie ein Tennisball.»

Auch diesen Gedanken scheint der Arzt spontan und ohne weitere Abklärungen laut geäussert zu haben. Denn beim nächsten Ultraschall-Termin wird Caflisch mitgeteilt, da sei absolut gar nichts zu sehen.

Hast du Kinder?

Offenbar kein Einzelfall – Arnold betont, gleich mehrere Ärztinnen und Ärzte hätten bei ihr ungefragt «laut überlegt».

Ist das erlaubt – und sind die Beispiele, die Arnold und Caflisch erlebt haben, nur Einzelfälle?

Patientenschützer erhalten immer wieder Beschwerden

Susanne Gedamke, Geschäftsführerin der Patientenschutzorganisation SPO, erklärt bei Nau.ch: «Das gibt es immer wieder, dass sich Schwangere aus solchen oder ähnlichen Gründen bei uns beschweren.»

Wie so oft in der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten gehe es dabei mehr um das «Wie» als das «Was». «Natürlich müssen Ärzte ihre Patienten aufklären und ihnen ein realistisches Bild ihrer Situation vermitteln. Die Aussagen der Gynäkologinnen erscheinen mir jedoch sehr unsensibel.»

Schwangerschaft
Selbst, wenn die Resultate eindeutig negativ seien, sollte man das nicht während der Behandlung sagen, findet Patientenschützerin Susanne Gedamke. - pexels

Man sollte nicht sofort Rückschlüsse ziehen und vorsichtig sein, findet Gedamke. Selbst, wenn die Resultate eindeutig negativ seien, sollte man das nicht während der Behandlung sagen.

«Ich erachte es für wichtig, dies in einem ruhigen Gespräch nach der Untersuchung zu besprechen. Während der Untersuchung ist die Patientin schliesslich in einer noch verletzlicheren Position.»

Arzt kritisiert: «Versuch, sich wichtig zu machen»

Thomas Eggimann ist selbst Gynäkologe und Generalsekretär des Verbands Gynécologie Suisse SGGG. Er reagiert entsetzt auf die Schilderungen: «Ich schäme mich für solche Aussagen meiner Kolleginnen und Kollegen», sagt er zu Nau.ch.

Es sei zwar üblich, dass Eltern über alles, was den Ärztinnen und Ärzten in der Schwangerschaft ungewöhnlich scheint, informiert werden. «Aber nicht auf diese Art. Sondern in angepasster Form und nach Rücksprache über das gewünschte Mass an Abklärungen und Information.»

Hast du schon einmal negative Erfahrungen mit einem Arzt oder einer Ärztin gemacht?

Die Aussage der Ärztin beispielsweise, das Baby habe ungewöhnlich kleine Hände, findet er «unprofessionell». «Solche Aussagen gehen leider auf Kosten der Schwangeren, die viel sensibler auf kleinste Auffälligkeiten reagieren. Schliesslich ist es ja ihr Kind, das betroffen sein könnte.»

«Zum Glück kommt es ganz häufig gut»

Bei der Risiko-Vorrechnung sei es möglich, dass das so «hochtrabend» formuliert worden sei, dass es für die Schwangere unverständlich war. «Also im weiteren Sinne auch unprofessionell, wenn man den Ton nicht trifft.»

Sowieso dürfe man in der Geburtshilfe grundsätzlich optimistisch sein: «Zum Glück kommt es ganz häufig gut. Sonst wäre die Menschheit schon längst ausgestorben.»

So auch bei Tamara Arnold – sie ist inzwischen Mami eines gesunden Buben.

*Name von der Redaktion geändert

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