Heizungskontrolle befeuert Bürokratie und verdoppelt Kosten
Das Lufthygieneamt und Baselbieter Gemeinden lagern die Administration der Feuerungskontrolle aus. Hausbesitzer müssen dafür über 100 Prozent mehr zahlen.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Baselbiet wird die Heizungskontrolle künftig deutlich teurer.
- Grund dafür ist, dass Gemeinden Messungen ausgelagert haben.
- Mehr als doppelt so hoch wird der Preis nun.
Im Landratssaal, unter der Bundeshauskuppel, selbst im deutschen Wahlkampf fordern seit geraumer Zeit alle den «Abbau der staatlichen Bürokratie» und eine «Verschlankung der Strukturen». Man kann es schon fast nicht mehr hören.
Im Baselbiet macht gerade das Gegenteil Schule. Bisher galt im Kanton die Regelung, dass ein zertifizierter, von der Gemeinde autorisierter Kontrolleur zwei- oder vierjährlich die Abgaswerte der Heizungsanlagen kontrolliert und die gemessenen Werte an das Lufthygieneamt beider Basel weiterleitet.
«Per Knopfdruck» in die Datenbank
Im Falle von Gelterkinden und acht weiteren Gemeinden war seit 33 Jahren Andreas Bichsel, hauptberuflich Landwirt auf dem Sonnenhof, für diese Kontrolle zuständig. Auf dem Mess-Computer erhob er die Emissionswerte und übertrug sie «per Knopfdruck» in die Datenbank des Lufthygieneamtes: «Zagg – däne!», beschrieb er jeweils den Vorgang.
Den Hauseigentümern verrechnete er jeweils pauschal 60 Franken in bar. Doch das ist Vergangenheit. Denn durch eine soeben angelaufene kantonsweite Reorganisation wegen der Einführung der Holzfeuerungskontrolle wird nicht nur Bichsels Nebenjob obsolet, sondern es erhöht sich auch der Kontrolltarif auf mehr als das Doppelte.
Für die Messung einer Ölheizung ist ein Preis von 123,40 Franken belegt – das bedeutet eine Verteuerung von 105 Prozent, ohne zusätzlichen Kundennutzen.
Kernpunkt der Reorganisation: Rund 60 Gemeinden und das Lufthygieneamt haben das bisher kommunale Mess-Management ausgelagert und bei einer neu gegründeten «Geschäftsstelle Feuerungskontrolle» mit Sitz in Birsfelden zentralisiert und liberalisiert.
Nach Vorbereitung durch das Lufthygieneamt und den Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (VBLG) erklärte sich der Verband der Feuerungskontrolleure mit eidgenössischem Fachausweis Region Baselland (VFKRBL) bereit, die Trägerschaft der Geschäftsstelle zu übernehmen.
Privatfirma mit Baselbieter Wappen
Leiter dieser Geschäftsstelle auf Mandatsbasis ist Benjamin Wälchli, der laut Basler Handelsregister auch als VFKRBL-Geschäftsführer amtet. Er gründete im September 2023 die «BestWise GmbH». Ihr Zweck: Die «Erbringung von Dienstleistungen und Beratungen in den Bereichen Energie und Umwelt».
Der gelernte Pöstler verschickte im vergangenen Monat ein Informationsschreiben, das den Hauseigentümern die neue Mechanik und die Kostenfolgen der Neuregelung eröffnete.
Pikant: Der Briefkopf mit dem Baselbieter Wappen kann bei Empfängern den Eindruck erwecken, es handle sich um eine staatliche Stelle, was nicht zutrifft.
Dicke Post für Hausbesitzer
Für die Hauseigentümer ist die Botschaft unerfreulich: Laut dem Schreiben muss die Kontrolle künftig «durch eine messberechtigte Fachfirma» oder «durch eine von Ihnen beauftragte Servicefirma» freier Wahl vorgenommen werden.
Kam der Kontrolleur bisher auf eigene Initiative vorbei, muss sich der Hausbesitzer nun proaktiv um die Kontrolle bei einer «Fachfirma» bemühen.
Diese Fachkraft, in der Regel etwas teurer als der frühere Ortskontrolleur, zieht beim Hausbesitzer vor Ort gleich auch die einheitliche «Administrationsgebühr» von 44,10 Franken ein, die ihr von der Birsfelder Geschäftsstelle wiederum in Rechnung gestellt wird.
Wälchli reagierte auf «OnlineReports»-Fragen etwas gestresst («viel Arbeit») und schmallippig. Laut seinen Angaben sind die Administrationskosten «für alle gleich». Sie richteten sich «nach der Kostenempfehlung des Lufthygieneamtes».
Kritik an Lufthygieneamt
Das neue Liberalisierungs-Modell entspringt dem Willen zahlreicher Gemeinden, die ihre Feuerungs-Reglemente kürzlich geändert haben. Die Anpassung lief aber unter dem Radar der öffentlichen Debatte und warf in den Medien keinerlei Wellen.
Insbesondere wussten die Hauseigentümer und letztlich auch die Mietenden nicht, dass sie künftig für eine «Administrationsgebühr» zahlen müssen, die satte 73 Prozent der früheren gesamten Kontrollkosten beträgt.
Die Auslagerung der Kontrolle sei aber durchaus auch im Spar-Interesse des Lufthygieneamtes, das die eintreffenden Kontrollergebnisse bisher administrierte. «Da nimmt sich das Lufthygieneamt aus der Pflicht», meinte ein Kaminfeger mit bedeutungsvollem Blick zu «OnlineReports».
Simon Rüttimann, der Mediensprecher der zuständigen Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) macht dazu etwas ausweichend geltend, die Bewirtschaftung der Kontroll- und Personendaten liege «in der Verantwortung der Gemeinden oder der durch sie Beauftragten».
Indem er einheitliche Kontrollrapporte vorgibt und eine Feuerungsanlagen-Datenbank bereitstellt, nehme der Kanton bloss «koordinierend Einfluss auf die Feuerungskontrolle, ohne dass der Verfassungsgrundsatz der Gemeindeautonomie tangiert wird».
Der Flickenteppich bleibt
Einheitlich ist das Kontrollsystem trotz «Geschäftsstelle» nicht. Laut Rüttimann sind die Gemeinden «grundsätzlich frei», die Administration zu delegieren. Falls dies nicht gewünscht sei, könne die Gemeinde «die gesetzlich vorgeschriebene Kontrolle komplett wie bisher eigenverantwortlich durchführen», wie es derzeit über zwei Dutzend Kommunen noch handhaben.
Bisher werden durch die Geschäftsstelle laut BUD-Angaben 5400 Ölfeuerungen, 4400 Gasheizungen und 12'800 Holzheizungen administriert.
Doris Vögeli, beim VBLG verantwortlich für das Ressort Umwelt und Freizeit, widerspricht aus hoheitlichen Gründen der Meinung, die Administration der Kontrolldaten sei eigentlich Sache des Lufthygieneamtes: «Die Gemeinden können dem Kanton keine Aufträge erteilen.»
Die Reinacher GLP-Gemeinderätin preist als Vorteil der zentralisierten Lösung auch die «einheitliche und saubere Datenerfassung». Überdies seien die Gemeinden verpflichtet, die Heizungskontrollen nach einer verursachergerechten Vollkostenrechnung ohne Quersubventionierung zu kalkulieren.
Hauseigentümerverband wollte tiefe Kosten
Einige Feuerungskontrolleure sind froh, dass sie jetzt durch die Kontrollstelle «von der Administration entlastet» sind. Andere sorgen sich darüber, dass sie gegenüber den Kunden sozusagen im Heizungskeller das Inkasso der Administrationsgebühr rechtfertigen müssen. Ein Kaminfeger: «Die Liberalisierung bringt dem Endverbraucher nichts ausser Kosten.»
Dies nicht zur Freude des Hauseigentümerverbands Baselland. Er hatte in der Vernehmlassung zur Geschäftsstelle «neue Zusatzkosten» kritisiert, die «für die Betroffenen möglichst tief gehalten werden sollten». Das Ergebnis ist nun bekannt.
Verbandspräsident Christoph Buser äussert sich gegenüber «OnlineReports» eher generell: «Wachsende Verwaltungen entwickeln einen Hang zur Überadministration. Plötzlich werden pragmatische, funktionierende Abläufe vermeintlich optimiert, ohne dass jemand an die Kosten denkt.» Wehre man sich als Betroffener gegen steigende Gebühren, «wird man mit dem Hinweis abgeputzt, dass der Betrag ja nicht hoch sei».
Deshalb müsse, so Buser weiter, «die Effizienz des staatlichen Handelns wieder stärker ins Denken der politischen Akteure rücken».
Die Neuregelung ganz im Zeichen der Liberalisierung bekamen laut Recherchen auch langjährige Ortskontrolleure bitter zu spüren: Ohne dass sie in die Beratungen einbezogen worden waren, erhielten sie von ihrer Gemeinde die Kündigung.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.