Hochwasser am Thunersee: Entlastungsstollen defekt
Mit dem kommenden Regen droht der Thunersee überzulaufen. Das Dilemma: Öffnet man die Schleusen in Thun, bekommen stattdessen die Berner nasse Füsse.
Das Wichtigste in Kürze
- Der kommende Regen wird den Thunersee bis zum Wochenende wohl überlaufen lassen.
- In Bern blickt man gespannt auf die Schleusen und den Hochwasserstollen in Thun.
- Von ihnen hängt ab, wie stark die Aare in der Bundesstadt über die Ufer treten wird.
Der verhältnismässig trockene Mittwoch verschaffte den Berner Behörden im Kampf gegen das Hochwasser eine dringend benötigte Verschnaufpause. Schon am Nachmittag war es aber mit der Ruhe vorbei.
Aufgrund der prognostizierten Regenfälle gilt seit Mittwochmittag auch für den Thunersee die höchst mögliche Hochwassergefahr (Gefahrenstufe 5), entschied das Bundesamt für Umwelt. Es wurde eine Hochwasser-Hotline (033 225 35 20) für die Region Thun in Betrieb genommen.
Hochwasser in Bern: Nervöse Blicke nach Thun
Weiter flussabwärts in der Bundesstadt beobachtet man ebenfalls nervös den Wasserstand des Sees. Auch der Pegelstand der Aare war gestern Mittwoch leicht unter den Höchstwert vom Dienstag gesunken. In Bern schwappt der Fluss aber auch schon so an einigen Stellen über das Ufer, es wurden Hochwasserschutzsperren aufgebaut.
Grund für die Anspannung: Wie viel Wasser die Aare durch Bern führt, ist davon abhängig, wie viel durch die Schleuse in Thun gelassen wird. Thuner wünschen natürlich, dass das bei dem aktuellen Seepegel so viel wie möglich ist. Aber beim Hochwassermanagement muss auch an die Unterlieger-Gebiete gedacht werden.
Gemäss Bernhard Wehren vom Amt für Wasser und Abfall würde der Pegel des Thunersees auch bei voll geöffneter Schleuse weiter ansteigen. In den letzten Tagen sei zu viel Wasser in den See geflossen: «Die maximal vorhandene Abflusskapazität in Thun reichte nicht aus, um den Pegel abzusenken oder zu stabilisieren.» Konkret rechnen die Experten bis Samstag mit 25 bis 60 cm höherem Wasserstand.
Defekter Entlastungsstollen reduziert Abfluss um zehn Prozent
Derzeit ist der Hochwasserentlastungsstollen in Thun teilweise defekt. Die Störung habe eine «Reduktion der maximalen Abflusskapazität von rund zehn Prozent» zur Folge. Wehren betont, der Unterliegerschutz sei mit Abflussreduktionen an den Schleusen jederzeit sichergestellt worden.
Eine Voraussage für die nächsten Tage will der Experte nicht abgegeben. Dazu wiesen die Prognosen eine zu grosse Streuung auf. Klar sei aber: «In dieser Situation ist jeder Regentropfen zu viel für das bereits stark belastete System.»
Thun oder Bern fluten?
Falls der Wasserstand sowohl des Sees als auch der Aare gleichzeitig einen kritischen Grenzwert erreicht, könnte man in Thun vor einer schweren Entscheidung stehen: Schleuse öffnen und zusätzliches Wasser in die Aare abfliessen lassen, oder geschlossen halten und den Thunersee weiter ansteigen lassen?
Das Vorgehen sei in einem solchen Fall durch ein Reglement klar vorgegeben. Doch Wehren stellt klar: «In der aktuellen Situation bestimmt aber hauptsächlich das Wettergeschehen, was wo passiert.»