Immer mehr Frauen lassen sich Brüste verkleinern
Die Zahl der Brustverkleinerungen hat stark zugenommen, oft wegen Schmerzen oder Sexualisierung. Doch nicht immer wollen die Krankenkassen bezahlen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der Brustverkleinerungen hat sich in der Schweiz in 20 Jahren verdoppelt.
- Das Thema ist kein Tabu mehr, erklärt ein Arzt den Anstieg.
- Ästhetische Gründe spielen meist höchstens eine untergeordnete Rolle.
Die plastische Chirurgie ist in der Schweiz immer mehr ausgelastet. Die Zahl der Schönheitsoperationen hat stark zugenommen, auch jene der Brustverkleinerungen. Dabei spielen aber ästhetische Gründe oft eine untergeordnete Rolle, wie die «Tamedia»-Zeitungen berichten. In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Brustverkleinerungen verdoppelt.
Eine der Patientinnen war Marie: Mit 14 sei sie fast über Nacht vollbusig geworden. Die Folgen waren unter anderem «lüsterne Blicke», die sie nicht aushielt, und starke Rückenschmerzen. Mit 18 begann sie den Abklärungsprozess, mit 20 wurde sie von Körbchengrösse F zu D umoperiert.
Jane spricht ebenfalls von «Blicken der Männer, die mir nie in die Augen schauten», und Anspielungen. Sie werde hypersexualisiert und auf ihre Brüste reduziert. Als sie kürzlich eine Beziehung beendet habe, habe der Mann ihre Brüste gepackt und gesagt: «Ich werde sie so sehr vermissen.»
Sie denkt darüber nach, die Brüste mit Körbchengrösse F zu verkleinern, es würde ihren Alltag erleichtern, glaubt sie: Sie könnte alle Kleider tragen, die ihre gefielen, auch eng anliegende Jacken. Zudem würden einige Sportarten angenehmer werden. Noch hält sie aber die Angst vor der OP und den Narben zurück.
Krankenkasse bezahlt nicht, weil Brüste «ja schön sind»
Auch Judith leidet unter ihren Brüsten der Grösse 65E: Sie wird objektiviert und hat Schmerzen, die von den Schultern in den Kopf ausstrahlen und Migräne verursachen. Wöchentlich geht sie zur Linderung in die Physiotherapie und folgt einer strengen Diät.
Die Therapie wird von der Krankenkasse bezahlt, die chirurgische Verkleinerung aber nicht. «Sie waren der Meinung, dass meine Brüste nicht berührt werden sollten, da sie ja schön seien.»
Dass sich Krankenkassen weigern, eine Brustverkleinerung zu übernehmen, damit kennt sich Yves Harder aus. Der Abteilungsleiter für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie des Universitätsspitals Lausanne spricht von einem zentralen Missverständnis: Die Versicherungen gingen davon aus, dass das Brustvolumen mit dem Körpergewicht korreliere.
Chirurg: Physio gleich teuer oder teurer als Eingriff
Die Frauen würden deswegen zum Abnehmen aufgefordert. Die Kosten für Physiotherapie und andere Konsultationen übernähmen die Krankenkassen aber. «Und diese sind letztlich genauso hoch oder höher als die Kosten einer Operation.»
9000 bis 15'000 Franken kostet eine solche OP. Zuvor muss ein Arzt eine Brusthypertrophie feststellen. Dafür sind Schmerzen im Nacken, Rücken oder den Schultern wegen des Gewichts der Brust notwendig. Zudem muss nachgewiesen werden, dass eine Physiotherapie keine Linderung bringt.
Den Grund für den Anstieg bei den Brustverkleinerungen sieht Harder darin, dass «das Thema Brust kein Tabu mehr» sei. Heute getrauten sich Frauen häufiger, Fragen zu stellen.
Helen Aghahosseini führt Brustverkleinerungen am Universitätsspital Lausanne durch. Sie sagt, die Mehrheit der Patientinnen klagten über Schmerzen, ästhetische Gründe seien selten. Die OP dauere rund zweieinhalb bis dreieinhalb Stunden und hinterlasse je nach Hautqualität und Heilungsverlauf zwei bis drei Narben.