Immer mehr Sonderschüler in Privatschulen – vor allem in Zürich
Viele Sonderschüler können wegen Platzmangels keine Sonderschulen besuchen. Sie landen schliesslich in Privatschulen.
Das Wichtigste in Kürze
- Zürcher Privatschulen unterrichten rund 800 der 4000 Sonderschüler des Kantons.
- Die Unterbringung der Kinder in Privatschulen ist eigentlich der letzte Lösungsweg.
- Heilpädagogisches Personal hat es dort weniger bis gar nicht.
- Wegen Platzmangels ist es oftmals nicht anders möglich.
Verhaltensauffällige Kinder bringen die integrative Schule an ihre Grenzen. Weil es immer mehr Sonderschüler gibt und die Sonderschulen kaum noch Plätze haben, müssen Gemeinden und Kantone die Kinder in Privatschulen auslagern.
Gemäss der SRF-«Rundschau» sind etwa in den Kantonen Bern, Zürich und Aargau neue Sonderschulplätze geplant.
In Zürich jedes fünfte Kind
Wie die «NZZ am Sonntag» berichtet, sind alleine im Kanton Zürich 797 der 4000 separierten Sonderschüler in Privatschulen ohne Sonderschulbewilligung untergebracht. Das ist jedes fünfte Kind. Dabei gilt die Unterbringung an einer Privatschule laut dem Zürcher Volksschulamt als letzter Lösungsweg.
Gegenüber der Zeitung sagt der Thurgauer Volkschulamtschef Beat Brüllmann: «Der Grund liegt in der Zunahme von sehr herausforderndem Verhalten, in der Zunahme der Zahl von Kindern im Autismusspektrum und im begrenzten Platzangebot.»
Sein Kanton zählt einer «NZZ»-Umfrage zufolge zehn bis 20 solcher Fälle. Im Aargau sind es 87, in Luzern 50, in Schwyz 24 und in Basel-Stadt 27.
Martina Krieg, Leiterin der Dienststelle Volksschulbildung im Kanton Luzern, sagt: «Generell nehmen Auffälligkeiten im Bereich Verhalten und sozio-emotionale Entwicklung zu.»
Kaum heilpädagogisches Personal
Eigentlich verfolgt die Schweiz das Ziel, möglichst alle Kinder in der Regelschule zu unterrichten. Dass so viele Sonderschüler in Privatschulen untergebracht werden, sorgt deshalb für Kritik.
Beispielsweise von Andrea Lanfranchi, emeritierter Professor der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik. Er sagt: Das Vorgehen darf nicht zur neuen Normalität werden.
«Es ist zwar gut, dass man diesen Kindern hilft, bevor sie durch alle Maschen fallen oder sie alleine unterrichtet werden müssen», kommentiert Lanfranchi gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Aber: Die Privatschulen verfügten meist über weniger oder gar kein heilpädagogisches Personal. Zudem unterstünden sie nicht den gleichen Kriterien wie die staatlich anerkannten Sonderschulen.
Gemeinden müsse zahlen
Zur Belastung wird die Unterbringung der Sonderschüler in Privatschulen für die Gemeinden. Mehrere Schulvorsteher kritisieren gegenüber der «NZZ am Sonntag» die Geschehnisse und die Kosten.
«Der Kanton hält die Anzahl der Sonderschulplätze knapp», sagt die Dübendorfer Schulvorsteherin Susanne Hänni. «Dies hat zur Folge, dass Kinder dort auch einmal abgelehnt werden und dann besonders schwierige Fälle zurückbleiben.»
Im Kanton Zürich kostet ein Schüler in einer anerkannten Sonderschule 85'000 Franken. Die Gemeinden zahlen 55'000 Franken, der Rest wird vom Kanton gestemmt. Landet ein Sonderschüler aber in einer Privatschule, zahlt die Gemeinde den gesamten Betrag.
Einige Gemeinden wählen deshalb günstigere Privatschulen aus, wobei nicht alle Sonderschüler aufnehmen.