Immer mehr «Vitamin»-Getränke enthalten Koffein
«Gesunde» Vitamingetränke mit Koffein liegen in der Schweiz im Trend. Der Konsumentenschutz verlangt eine Altersgrenze ab 14 Jahren – die Hersteller wiegeln ab.
Das Wichtigste in Kürze
- Als «gesund» vermarktete Energiegetränke mit Koffein boomen in der Schweiz.
- Der Konsumentenschutz warnt: Vor allem Jugendlichen können diese schaden.
- Die Stiftung fordert eine Altersgrenze von 14 Jahren und bessere Warnhinweise.
Bis vor Kurzem gab es als «Wachmacher»-Getränk fast nur die Wahl zwischen klassischem Kaffee und Energydrinks mit viel Zucker. Nun boomen als «gesund» vermarktete Vitaminwasser und andere Softgetränke, die Koffein enthalten.
Das Versprechen der Hersteller: Das aus Mate, Kaffeekirsche und anderen Pflanzen gewonnene «natürliche» Koffein liefert länger anhaltende, konstante Energie. Zudem sollen diese Pflanzen zahlreiche weitere gesundheitliche Vorteile bieten.
Konsumentenschutz warnt
Dabei gehen die potenziell negativen Auswirkungen von Koffein – in welcher Form auch immer – schnell vergessen.
«Koffein kann Schlafstörungen, Nervosität, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Herzrasen auslösen. Das Risiko für Angstzustände oder Reizbarkeit wird grösser», zählt Josianne Walpen, Leiterin Ernährung der Stiftung für Konsumentenschutz, auf. Auch Abhängigkeit und Entzugserscheinungen sind bei häufigem Konsum möglich.
Deshalb muss bei einem Koffeingehalt von über 15 Milligramm pro 100 Milliliter von Gesetzes wegen ein Warnhinweis angebracht werden. Zum Vergleich: Ein Cappuccino enthält rund 30 Milligramm pro 100 Milliliter, ein Espresso sogar 110 Milligramm.
Walpen erklärt: «Dass das Getränk für Kinder, Schwangere, Stillende und koffeinempfindliche Personen nicht geeignet ist, muss prominent vorne auf der Dose/Verpackung stehen.»
Hersteller verteidigen sich
Gegenüber Nau.ch betonen die Getränke-Anbieter, sich streng an diese Vorgaben zu halten. Monika Christener, Sprecherin der Rivella Group, zu der die Koffein-Eistees «Enertea» sowie die Vitaminwasser-Marke «Focuswater» gehören, schreibt auf Anfrage: «Auf den Enertea-Etiketten ist der prominente Hinweis ‹High Caffeine› auf der Vorderseite.»
Ähnlich sei das auch bei «Focuswater Kick». Zudem sei dort auf der Rückseite die «Mengenangabe inklusive Vergleich Kaffeetasse» zu finden. Beide Getränke hätten zudem den vorgeschriebenen Warnhinweis aufgedruckt.
Marketing «sehr aggressiv»
Was der Konsumentenschutz aber vor allem kritisiert: «Das Marketing für diese Getränke ist sehr aggressiv und spricht eine sehr junge Zielgruppe an», meint Walpen.
«Problematisch ist deshalb, dass sie nicht von Personen konsumiert werden, die einen ‹Wachmacher› benötigen, sondern am häufigsten von Jugendlichen.»
Hersteller Rivella widerspricht: «Mit ‹Enertea› sprechen wir primär erwachsene Studierende und Arbeitende an», erklärt Sprecherin Christener.
«Dabei legen wir den kommunikativen Fokus auf die Alterszielgruppe der 20- bis 35-Jährigen. Auch bei ‹Focuswater› ist die Zielgruppe Erwachsene über 18 Jahren.»
Im Verkauf gibt es jedoch keine Kontrolle. «Die Verantwortung dafür, was Kinder und Jugendliche kaufen und konsumieren, liegt grundsätzlich bei den Eltern», erklärt die Migros gegenüber Nau.ch. Die Supermarkt-Kette verkauft unter der Marke «Aproz» ebenfalls ein hauseigenes Vitaminwasser mit Koffein.
Konsumentenschutz fordert Altersgrenze
Ein weiteres Problem: Gerade das «Focuswater Kick» oder «Aproz O2 Himbeer» unterscheiden sich äusserlich kaum von den koffeinfreien Sorten. Stehen diese nebeneinander im Regal, greift man schnell mal daneben. «Die Warnhinweise müssten sichtbarer platziert werden», fordert der Konsumentenschutz.
Zudem sollten gemäss der Stiftung Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahre generell keine Energydrinks verkauft werden. «Dass diese pro Tag innert kurzer Zeit ein paar Tassen Kaffee trinken, erscheint ja auch abwegig», meint Walpen.
Eine solche Altersgrenze stellt sich Rivella hingegen «in der konkreten Umsetzung schwierig» vor. Eine klarere Abgrenzung zwischen koffeinhaltigen und koffeinfreien Softdrinks in Supermärkten sei aber «grundsätzlich keine schlechte Idee».
Denn: «So finden Personen, die ein koffeinhaltiges Getränk suchen, dieses auf den ersten Blick.»