In der Schweiz gibt es Tausende «Bullshit-Jobs»
Ein gut bezahlter Mitarbeiter sorgte kürzlich für Wirbel, weil er nichts zu tun hat und trotzdem gut verdient. Kein Einzelfall.
Das Wichtigste in Kürze
- Kürzlich hat ein Mitarbeiter für Wirbel gesorgt – weil er gut verdient und kaum arbeitet.
- Die Rede ist von einem sogenannten «Bullshit-Job».
- In der Schweiz gibt es «Tausende» davon, sagt ein Experte.
70'000 Euro, umgerechnet 65'000 Franken, verdient ein Deutscher in seinem Job in der Finanzbranche. Und sagt dazu: «Ich verstehe einfach nicht, warum.»
In Deutschland sind 70'000 Euro viel – der Durchschnittslohn liegt bei rund 52'000 Euro, also gut 48'000 Franken.
Der Mann sagt, er habe kaum etwas zu tun. Er beschreibt seine Arbeit als sinnlos und unproduktiv: «Ich sitze eigentlich nur in Meetings rum und nicke.»
Auf der Social-Media-Plattform Reddit fragte er: «Arbeitet ihr wirklich?»
Damit sorgte der Mitarbeiter kürzlich für Wirbel – und löste eine Diskussion über sogenannte «Bullshit-Jobs» aus. Gerade in der Bau- und Pflegebranche gab es Empörung.
Acht bis 15 Prozent der Jobs sind «Bullshit»
«Das spricht Bände», sagt der Aargauer HR-Experte Jörg Buckmann bei Nau.ch über die Schilderungen des Mannes. Er kann die Frustration der Bau- und Pflegebranche sehr gut nachvollziehen.
Und doch – was der Mann beschreibt, ist kein Einzelfall.
Auf die Frage, wie die Bullshit-Job-Situation hierzulande sei, sagt Buckmann nämlich: «Ich denke, es gibt Tausende Bullshit-Jobs in der Schweiz.»
Auch HR-Experte Alexander Beck kennt das Phänomen: «Es gibt eine gewisse Anzahl von Betroffenen und eine noch grössere Dunkelziffer. Studien sprechen von acht bis 15 Prozent der Arbeitstätigen in der Schweiz», erklärt Beck.
Sprich: Knapp jeder sechste Arbeitstätige versteht nicht, warum es seinen Job gibt – oder warum er dafür so viel verdient!
Bürojobs und Industrie besonders betroffen
Häufiger betroffen sind: Mitarbeitende in Admin-Jobs mit stark repetitiven Tätigkeiten, Angestellte in bürokratischen oder stark hierarchischen Umfeldern.
«Also zum Beispiel Verwaltungen mit klassischen Bürotätigkeiten, mit monotonen Aufgaben und starren Strukturen.»
Auch Tätigkeiten im Dienstleistungssektor – zum Beispiel im Backoffice, ohne direkten Kundenkontakt – seien betroffen.
Die Industrie und Produktion ist laut Beck ebenfalls gefährdet. «Bullshit-Jobs» drohen «überall dort, wo wiederholende Abläufe ohne kreativen Input an der Tagesordnung sind».
Eine Studie der Universität Zürich zeigte 2023, dass vor allem Menschen aus Finanzwesen und Vertrieb ihren Job nutzlos fanden.
Hinter «Bullshit-Jobs» stecken oft «Bullshit-Prozesse»
Buckmann sieht es ähnlich und ergänzt: «Viele Bullshit-Jobs werden durch Bullshit-Prozesse ausgelöst.» Er spricht von «adipösen Prozessen», also das Gegenteil von schlanken Prozessen, die mühsam und sinnlos seien.
Leute in solchen Berufen haben oft das Gefühl, ihren Job brauche es eigentlich nicht.
Er sieht das Phänomen jedoch nicht als Branchenproblem, sondern: «Ich denke, es ist ein Grössenproblem», erklärt Buckmann.
Solche Bullshit-Prozesse seien eher in grösseren Unternehmen zu finden. Oder anders gesagt: «Kleinere Unternehmen können sich schlicht keine Bullshit-Jobs leisten.»
Auch Langeweile kann krank machen
Nichts zu tun, aber trotzdem einen saftigen Lohn – klingt eigentlich ganz entspannt.
Doch: Arbeitet eine Person über längere Zeit in einem Bullshit-Job, kann das auch zum sogenannten «Bore-out» führen. Das ist quasi das Gegenteil von Burn-out. Nicht der Stress, sondern die Langeweile im Job macht in diesem Fall also krank.
Beck sagt dazu: «Das Thema Bore-out wird in den Unternehmungen praktisch nicht thematisiert. Es ist ein Tabu.»
Denn: Die Betroffenen würden sich aus Scham oft nicht outen. Sie wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, nicht initiativ genug zu sein und auf der «faulen Haut zu sitzen».
«Sie leiden still und im Verborgenen», sagt Beck.
Wird das Problem nicht angesprochen, führt das laut dem Experten zu Leistungseinschränkungen und psychischen, aber auch körperlichen Problemen.
«Ausfälle sind dann programmiert», so Beck. Unmotivierte Mitarbeitende seien auch weniger produktiv und verlassen die Organisation eher – aus Frustration.