Juso gerät nach Kommunikations-Fiasko selber in Kritik
Die Juso schiesst gerne scharf – gestern auch in die eigenen Reihen. Nachdem sie ihre Kritik zurückzog, lud der gerüffelte SP-Nationalrat sie zum Gespräch.
Das Wichtigste in Kürze
- Adrian Wüthrich, Berner SP-Nationalrat, ist Mitinitiant der Vaterschaftsurlaub-Initiative.
- Einzelpersonen der Berner Juso forderten die Wähler, nicht für ihn zu stimmen.
- Der Nationalrat kontert, dass Elternzeit der einzige Weg zur Gleichberechtigung sei.
Es sei wohl ein «Schnellschuss» gewesen, sagt SP-Nationalrat Adrian Wüthrich. Er spricht vom Kommunikations-Fiasko, dass die Berner Juso gestern Mittwoch losgetreten hat. Und in dessen Mittelpunkt er selber geraten ist.
In einer Medienmitteilung forderten die Stadtberner Jungsozialisten alle Wähler auf, Adrian Wüthrich von der Nationalratsliste zu streichen. Die Wähler sollen stattdessen «wirklich linke Frauen auf die Wahllisten schreiben».
Nächtliche Medienmitteilung der Juso
Kurze Zeit später zogen die beiden Juso-Mitgleider ihre wütenden Zeilen allerdings kleinlaut zurück. Grund: «Massive interne Kritik.»
Es scheint, als wären nicht alle Mitglieder der Juso gegen Wüthrich. Er ist vor allem bekannt als Mitinitiant der Initiative für vier Wochen Vaterschaftsurlaub.
Diese Funktion war es denn auch, die die Juso so aufgebracht hatte. Nach zwölf Jahren politischer Arbeit und fleissigem Unterschriftensammeln hatten die Initianten ihre Initiative gestern Mittwoch zugunsten einer Elternzeit-Initiative zurückgezogen.
«Übel bei der Wurzel packen»
«Uns war bewusst, dass einige, die für uns Unterschriften gesammelt haben, enttäuscht sein werden. Aber unsere Initiative hat die Diskussion heftig ins Rollen gebracht. Wir kamen viel schneller viel weiter, als wir uns hätten träumen lassen.»
Das Parlament winkte zwei Wochen Vaterschaftsurlaub durch. Dort weitere zwei Wochen anzuhängen wäre schön, aber nicht zielführend.
«Um das Übel wirklich bei der Wurzel zu packen und Gleichberechtigung herzustellen, brauchen wir jetzt die Elternzeit», sagt Wüthrich. «Und genau dafür steht die Juso ja sonst eigentlich ein: Das Übel bei der Wurzel packen.»
Elternzeit als nächster logischer Schritt
Wüthrich ist überzeugt, dass Wut und Unverständnis der Juso verfliegen, wenn man ihnen erklärt, wohin der Weg geht.
«Die Elternzeit ist wohl der Schlüssel dazu, dass Frauen und Männer am Arbeitsplatz gleich ernst genommen werden. Ich lade die Juso darum ein, mit uns für Gleichberechtigung zu kämpfen.» Das sei, meint der Nationalrat, wohl sinnvoller, «als den Vater des Vaterschaftsurlaubs, wie einige Medien schreiben, abzuschiessen».
Ging es tatsächlich um Tamara Funiciello
Besonders die Aufforderung, statt Wüthrich lieber «linke Frauen» zu wählen, weckt noch einen weiteren Verdacht. Wollten die Juso vor allem ihre eigene ehemalige Präsidentin –Tamara Funiciello – stärken?
Egal, was die Verfasser bewegt habe, Wüthrich würde sich über ein Gespräch freuen. Gerade tourt er auf Wahlkampf durch den Kanton Bern.
Heute stellt er sich in La Neuveville und Ins den Fragen der Bevölkerung. «Ganz nach dem Motto unserer Partei: Wir reden mit den Leuten – nicht über sie. Das wünsche ich mir auch von der Juso.»