Das als «Schulabsentismus» zusammengefasste Problem schwänzender Schüler scheint auszuufern. Der Kanton Basel-Stadt bringt eine Strategie dagegen vor.
Schwyz
Die Maturaprüfung sei ein «unverzichtbares Element» der gymnasialen Ausbildung, findet der Kanton Schwyz. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Basel-Stadt sollen Schüler zukünftig 80 Prozent der Zeit vor der Matur anwesend sein.
  • Wären sie in den zwei Jahren vor der Matur weniger präsent, würden sie nicht zugelassen.
  • Der Kanton reagiert damit auf das immer grösser werdende Problem des Schulabsentismus.
Ad

Der Kampf gegen Absentismus in Schweizer Schulen geht mit grossen Schritten voran. Wie «Radio SRF» berichtet, schlug der Kanton Basel-Stadt jüngst eine innovative Strategie vor: Mindestens 80 Prozent des Unterrichts in den zwei Jahren vor der Matur müssten besucht werden für eine Zulassung zur Maturaprüfung.

Patrick Langloh vom Basler Erziehungsdepartement betont, die Massnahme werde nicht das gesamte Problem lösen, aber ein klares Zeichen setzen: «Wir erwarten, dass die Schülerinnen und Schüler am Präsenzunterricht teilnehmen». Diese Regelung soll auch für volljährige Schüler gelten, die Absenzbescheinigungen selbst unterschreiben dürfen.

Langloh erklärt weiterhin, dass es nicht um Fälle gehe, bei denen ein Schüler beispielsweise aufgrund eines Spitalaufenthalts fehle. Vielmehr gehe es um oft unklare Gründe wie nicht diagnostizierte psychische Probleme oder familiäre Konflikte. Die neue Regelung könnte dazu beitragen, dass sich betroffene Jugendliche rechtzeitig Hilfe suchen.

Wachsendes Problem seit der Pandemie

Absentismus ist kein rein auf den Kanton Basel-Stadt begrenztes Phänomen. Laut Langloh hat dieses Problem seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen und stellt eine sowohl pädagogische als auch gesellschaftliche Herausforderung dar.

Lucius Hartmann vom Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und -lehrer bemerkt ebenfalls eine Veränderung in der Einstellung zu Absenzen. Er führt dies auf die Zunahme von schulischen Belastungen, psychischen Problemen und sozialen Phobien zurück.

Aber auch Schüler, die die Regeln «kreativ auslegen und den Schulbesuch als freiwillig empfinden», spielen eine Rolle.

Hartmann glaubt, dass diese Haltung zumindest teilweise ihren Ursprung in der Pandemie hat: «Damals wurde den Schülerinnen und Schülern eingetrichtert, dass sie zu Hause bleiben sollen, wenn sie sich nicht so gut fühlen». Einige befolgen diesen Ratschlag immer noch grosszügig, oft mit Zustimmung ihrer Eltern.

Verschiedene Formen des Absentismus

Margrit Stamm, emeritierte Professorin und Expertin für Absentismusforschung in der Schweiz, unterscheidet drei Arten von Absentismus: das klassische «Schulschwänzen», die «Schulverweigerung» aus psychologischen Gründen oder Ängsten und das «Zurückhalten» durch überbehütende Eltern.

Stamm betont auch die Notwendigkeit einer Debatte darüber, was Schulen tun können, um Jugendliche besser zu motivieren. Sie freut sich daher, wenn die Basler Anwesenheitspflicht eine Diskussion zu dem Thema auslöst.

Weitere Massnahmen gegen Schulabsentismus

Neben Basel gibt es auch in anderen Kantonen Bemühungen, dem Problem des Schulabsentismus entgegenzuwirken. Im Wallis wurde beispielsweise ein Kompetenzzentrum eingerichtet, das Schüler mit Schulphobien betreut.

Thomas Minder, Präsident des Verbands der Schulleiterinnen und Schulleiter, sieht das Phänomen in Zusammenhang mit dem Thema Selbstwirksamkeit. Er fordert eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was wir Kindern zutrauen und zumuten wollen.

Lucius Hartmann betont die Bedeutung persönlicher Gespräche und individueller Lösungen: «Wenn ein Motivationstief der Grund für die Absenzen ist, kann eine schulische Neuorientierung oder ein Sprachaufenthalt helfen». Trotz allem Verständnis für die schwierige Lebensphase der Jugendlichen allerdings klar: Schulschwänzen müsse bestraft werden.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Thomas MinderCoronavirusSRF