Kind mit Coronavirus interessiert weder Schule noch Behörden
Ein Schweizer Vater hatte den Verdacht, sein Kind könnte positiv auf das Coronavirus sein. Nur schon einen Test zu machen, erwies sich als fast unmöglich.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Fallzahlen mit Coronavirus steigen bei Jugendlichen stark an.
- Trotzdem sind Schulen mit Massnahmen und Testzentren mit Testen eher zurückhaltend
- Dies zeigt auch der Erlebnisbericht des Vaters eines angesteckten Sechsjährigen.
Zwischenzeitlich muss der in einer Schweizer Grossstadt wohnende Familienvater Michael (Name geändert) den Tränen nahe gewesen sein. Er wollte alles richtig machen, als sein ältester Sohn (6) plötzlich über 39 Grad Fieber hat.
«Richtig» hiess in diesem Fall aber, gegen alle möglichen Widerstände anzurennen, wenn ein Kind sich mit dem Coronavirus ansteckt. Obwohl angesichts explodierender Fallzahlen bei Schülern eigentlich alle sensibilisiert sein sollten. «Ich bin enttäuscht, wie zusammenhangslos vorgegangen wird – es mangelt ganz offensichtlich an einer Strategie!», sagt er deshalb zu Nau.ch
Denn das Coronavirus grassiert zunehmend bei der jüngeren, ungeimpften und ungeschützten Bevölkerung. So sehr, dass sich Politiker wundern, dass an Schulen nicht mehr zur Bekämpfung der Ausbreitung unternommen wird.
Coronavirus – «Niemand will Kinder testen»
Der Selbsttest beim Sohnemann am Samstagabend fällt positiv aus. Michael informiert vorsorglich die Schule und eine befreundete Familie, die er als möglichen Ansteckungsort vermutet. Er selbst und seine Frau sind geimpft und testen negativ. Beim dreijährigen Brüderchen sind sie nicht sicher, das fünfmonatige Baby wird nicht getestet.
Pflichtbewusst wollen die Eltern den Fall den Behörden melden, damit diese schon mal mit dem Contact Tracing beginnen können. Doch ohne PCR-Test läuft erst mal gar nichts. Also heisst es am Sonntagmorgen: Ab mit den beiden älteren Kindern zum Testen. «Nur so für den Fall, dass es einen Ausbruch in der Schule gab und jemand etwas dagegen tun möchte.»
Wollen tut aber erst einmal gar niemand etwas, realisiert Michael. Im Kinderspital müsste die Familie drei Stunden warten, im allgemeinen Warteraum, «Viren verbreitend, als gäbe es kein morgen.» Also empfiehlt man stattdessen, zu einem Testzentrum zu gehen. Dort scheint man aber überrascht, dass praktisch symptomlose Kinder getestet werden sollen.
Kinderarzt rät von Test ab
Nur nachdem Michael insistiert und vom positiven Schnelltest erzählt, sei man Willens gewesen, die Kinder zu testen. Hingegen habe es eine gratis Messung der Sauerstoffsättigung gegeben.
Diese fiel gut aus – die Reaktionen dafür weniger. Vielsagende Blicke des Personals à la «und warum genau sind Sie jetzt hier?», seien die Folge gewesen.
Am Montag bestätigt die Schule den Empfang der Mitteilung, aber macht keine Angaben, was zu tun sei. Auch für die anderen Schulkinder habe man keine Massnahmen ergriffen. Freunde bestätigen unterdessen, dass auch bei ihrem Kind der Schnelltest positiv ausgefallen sei. Der Kinderarzt habe ihnen aber explizit davon abgeraten, einen PCR-Test zu machen.
Ein Bekannter zeigt ihm das Diagramm seines Kantons, wie mit Kindern bei Covid-Verdacht vorzugehen sei. Gemäss diesem würden Kinder nur bei starken, kombinierten Symptomen getestet. Oder wie Michael es ausdrückt: «Wenn es nicht im Sterben liegt, um Gottes Willen nicht testen!»
«Fühle mich wie ein Idiot»
Selbstzweifel beginnen Michael zu plagen. Am Montagnachmittag erreicht ihn ein SMS, dass der Dreijährige negativ sei. Keine Nachricht bezüglich des Sechsjährigen, was zur Vermutung verleitet, dass zuerst die Behörden über den positiven Test informiert werden.
Aber wann? «Im Prinzip könnte ich die Kinder morgen in die Schule schicken», sinniert Michael. Zumindest beim Vorgehen nach Diagramm, ohne jeglichen Test. Gemäss gesundem Menschenverstand wohl eher nicht.
Beide Kinder sind symptomfrei und «offenbar hätte ich wirklich keinen PCR-Test machen lassen sollen». Oder sollte man nicht wenigstens versuchen, einzudämmen? Wenn ja, wie macht man das, wenn über 48 Stunden vergehen zwischen Symptomen und offizieller Reaktion?
Ich sag's nur ungern: Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, ist das eben begonnene Schuljahr bald zu Ende.
— @[email protected] (@esthrbrunnr) September 7, 2021
Die Ansteckungen mit Delta in der Altersklasse 0-9 sind bereits 3 mal höher als beim Peak mit Alpha. Anstieg um Faktor 75 in den letzten 2 Monaten. #ProtectTheKids pic.twitter.com/RlcsHpNPEH
In seiner Ratslosigkeit schimpft Michael, er fühle sich wie ein Idiot. Er habe sich um die öffentliche Gesundheit Sorgen gemacht. Stattdessen sitze er zuhause fest beim Versuch, einen Sechsjährigen in einem separaten Zimmer zu isolieren, um die Geschwister zu schützen. «Ich verstehe nicht, was zum Teufel hier eigentlich die Strategie ist!»
Contact Tracing meldet sich: Ende gut, alles gut?
Spätabends dann das SMS, dass der Sechsjährige tatsächlich positiv auf Coronavirus getestet wurde. Aber keine News von der Schule, lamentiert der entnervte Vater. Dort sei die Frage nicht mehr, ob sich Kinder im Verlauf des Morgens ansteckten. Sondern wie viele, «währenddessen die Mühlen der Bürokratie langsam mahlten».
Immerhin: Am Dienstag meldet sich das Contact Tracing, «sehr nett und gründlich, wenn auch über 72 Stunden nach den Symptomen». Trotz den «sehr seltsamen Fragen», wo man Mitte August in den Ferien gewesen sei, «besser spät als nie». Es erinnere ihn an die italienische Redewendung «den Schweinestall zu machen, nachdem die Sau abgehauen ist».