Kinderschutz: Sollen Schulen & Vereine gar keine Fotos mehr machen?
Auch aus harmlosen Fotos lassen sich mit KI Nacktbilder und Fake-Pornos erstellen. Eine Herausforderung für Eltern und Institutionen, die mit Kindern arbeiten.
Das Wichtigste in Kürze
- Kinderschutz Schweiz warnt vor zunehmenden Erpressungen mit Nacktbildern.
- Diese können auch fake sein: Kriminellem mit KI genügen normale Porträtbilder im Netz.
- Können Schulen oder Vereine bald gar keine Kinderbilder mehr machen und verwenden?
Kinder und Jugendliche geraten immer häufiger ins Visier von Kriminellen, die sie mit Nacktfotos erpressen. Dabei müssen diese Nacktfotos gar nicht real existieren, warnt die Stiftung Kinderschutz im Rahmen einer Sensibilisierungskampagne.
Natürlich sollte man keine eigenen Nacktfotos teilen. Mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich aber auch täuschend echte Nacktfotos und Deep-Fake-Pornos erstellen. Dazu brauchen Pädokriminelle lediglich in paar Porträt-Fotos, um die künstliche Intelligenz damit zu füttern.
Viele Kinder-Bilder werden aber gar nicht von deren Eltern gemacht, sondern etwa von anderen Eltern, weil sie ganze Kindergruppen fotografieren. Oder von Schulfotografen, dem Webmaster des Fussballklubs oder der Leiterin der Theaterprojektwoche.
Nau.ch hat bei Regula Bernhard Hug nachgefragt, Leiterin der Geschäftsstelle von Kinderschutz Schweiz: Sollten Schulen und Vereine am besten gar keine Kinderfotos mehr machen?
Nau.ch: Zum Schulstart, aber auch beim Neu-Eintritt in einen Sport-, Theater- oder Musikverein, müssen Eltern immer öfter zuerst einen Fragebogen ausfüllen: Dürfen Bilder der Kinder gemacht und veröffentlicht werden? Die Frage ist verständlich, aber Nein zu sagen findet man dann auch irgendwie schade.
Regula Bernhard Hug: Die Schulen sind der richtige Ort, um über die Bildrechte, welche beim Kind sind, zu sensibilisieren. Die Fotos zu machen ist das eine, aber bedenklich ist das Teilen. Ganz besonders dann, wenn gerade auch noch persönliche Daten bei den Bildern dabei sind. So kommen Täter auch gleich noch an die Namen der abgebildeten Kinder.
Nau.ch: Bei Veranstaltungen von Schulen oder Vereinen heisst es immer öfter: Lasst das Handy im Hosensack, wir haben dafür eine Profi-Fotografin und einen Kameramann organisiert. Danach gibt es dann einen Link für alle.
Regula Bernhard Hug: Schulen werden sich immer bewusster, dass sie Kinderschutz-Konzepte haben müssen, welche auch den Umgang mit Bildern und persönliche Daten der Kinder und Jugendlichen regeln. Diese müssen gut durchdacht sein, damit kein Element vergessen geht.
Wenn es bei Anlässen heisst ‹Bitte nicht fotografieren›, wird bereits sensibilisiert. Wenn schon beim Eingang zur Aula ein Schild hängt, dass es verboten ist, wird das den Zuschauerinnen und Zuschauern von Anfang an bewusst. Auch denjenigen, die vielleicht nachher bei der Durchsage nicht alles mitbekommen.
Nau.ch: In welchem Rahmen sind Fotos von Kindern und Jugendlichen dann noch okay? Müssten – streng genommen – Schulen und Vereine nicht dazu übergehen, die Eltern gar nicht mehr zu fragen, weil gar keine Bilder veröffentlicht werden?
Regula Bernhard Hug: Wenn die Websites verschlüsselt sind, ist das ein anderer Fall. Auch auf Papier geht immer, denn zum Beispiel die Vereins-Nachrichten gehen ja nur an diejenigen, die es betrifft, und nicht die ganze Welt.
Aber: Fragen muss man immer, denn das Recht am Bild liegt beim Kind. Also nicht einmal bei den Eltern, sondern die Eltern sollten das Kind fragen, was es will.
Nau.ch: Was sagen Sie den Vereinen, die finden: Aber wir wollen doch zeigen, was wir für tolle Angebote haben. Wir wollen neue Mitglieder werben, mit unseren Kids in Aktion.
Regula Bernhard Hug: Es gibt ganz viele Möglichkeiten, Kinder in ihrer Klasse oder beim Fussballspielen zu zeigen. Man muss einfach ein Bild wählen, wo nicht gerade ein Gesicht von vorne zu sehen ist.
Nau.ch: Den Vereinen, aber vor allem den Eltern, läuft das etwas gegen den Strich. Man hat Freude an den Kindern und möchte diese Freude mit der ganzen Welt, oder zumindest den Verwandten, teilen können.
Regula Bernhard Hug: Solange man das Gesicht nicht sieht, geht das auch, wenn man Bilder im Internet teilt. Grosi und Grosspapi kennen das Kind ja gut und erkennen es auch beim Fussballspielen. Aber das Risiko, dass das Bildmaterial für pädokriminelles Material missbraucht wird, wird reduziert.
Die neuen Möglichkeiten und Gefahren der künstlichen Intelligenz sind noch viel zu wenig bekannt. Mit KI reichen wenige Bilder mit dem Gesicht, um sie können für Deep-Fake-Pornos und sonstiges pädokriminelles Material verwendet werden.