Komplette Öffnung des Strommarkts nimmt weitere Hürde

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Bern,

Künftig sollen neben Grosskonsumenten auch private Haushalte ihren Stromlieferanten wählen können. Die vollständige Strommarktöffnung wird mit Massnahmen begleitet, um die Versorgungssicherheit zu stärken und die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen.

Künftig soll jeder Haushalt selber seinen Stromlieferanten auswählen können. In den kommenden Monaten will der Bundesrat die Details regeln und konsultiert dafür verschiedene Kreise. (Themenbild)
Künftig soll jeder Haushalt selber seinen Stromlieferanten auswählen können. In den kommenden Monaten will der Bundesrat die Details regeln und konsultiert dafür verschiedene Kreise. (Themenbild) - sda - KEYSTONE/VALENTIN FLAURAUD

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Herausforderungen sind zahlreich: der beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie, die ambitionierten Ziele der Klimapolitik, die sinkende Exportfähigkeit der Nachbarländer und nicht zuletzt das fehlende Stromabkommen mit der EU setzen die Schweiz unter Druck.

Mit der Revision des Stromversorgungsgesetzes sowie des Energiegesetzes will der Bundesrat Gegensteuer geben. Am Freitag präsentierte die Landesregierung nun die Eckwerte der Vorlagen. Kurz gesagt will er gleichzeitig mit der Liberalisierung des Strommarkts einheimische erneuerbare Energien stärken.

In Grundzügen waren die Ideen schon im vergangenen September nach einer ersten Vernehmlassung skizziert worden. Aus der Vernehmlassung zum Stromversorgungsgesetz ging hervor, dass die volle Marktöffnung mehrheitlich unterstützt wird, aber auch mehr Investitionsanreize für die einheimischen erneuerbaren Energien gewünscht werden.

Der Bundesrat beauftragte das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) in der Folge, Eckwerte für eine vollständige Marktöffnung zu erarbeiten und parallel dazu eine Vernehmlassungsvorlage zur Revision des Energiegesetzes vorzulegen.

Das ist nun passiert. Wie die Grossverbraucher sollen neu auch Haushalte und kleine Betriebe ihren Stromlieferanten frei wählen dürfen. Sie haben gemäss den bundesrätlichen Plänen aber auch das Recht, in der Grundversorgung zu bleiben oder vom freien Markt wieder zur Grundversorgung zurückzukehren.

Die Verteilnetzbetreiber liefern in der Grundversorgung standardmässig Schweizer Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren Energien werden so stärker unterstützt als es in der Vernehmlassungsvorlage vorgeschlagen worden war. Diese sah lediglich einen Mindestanteil an erneuerbarer Energie vor.

Zudem soll der Bundesrat künftig Ausschreibungen für einen verstärkten Zubau von inländischen, erneuerbaren Stromproduktionskapazitäten durchführen, falls sich eine Gefährdung der Versorgungssicherheit in den Wintermonaten abzeichnen sollte.

Wer beispielsweise Solarenergie produziert, kann den überschüssigen Strom im Quartier verkaufen. Damit ermöglicht die Öffnung des Strommarkts lokale Lösungen wie Quartierstrommärkte und Energiegemeinschaften.

Zur Absicherung gegen ausserordentliche Extremsituationen soll zudem eine Speicherreserve geschaffen werden. Sie wird jährlich durch die nationale Netzgesellschaft Swissgrid ausgeschrieben und über die Netznutzungstarife finanziert. An der Ausschreibung können sich alle Betreiber von Energiespeichern oder flexible Verbraucher am Schweizer Stromnetz beteiligen, die technisch dafür geeignet sind.

Der Bundesrat untermauert weiter, dass er die Förderbeiträge für einheimische erneuerbare Energien verlängern und wettbewerblicher ausgestalten möchte. Damit will er der Strombranche die nötige Planungs- und Investitionssicherheit geben sowie die Versorgungssicherheit der Schweiz stärken, wie er schreibt.

Die bereits bestehenden Richtwerte für den Ausbau der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien für 2035 sollen zu verbindlichen Ausbauzielen erklärt werden. Entsprechend sollen die heute bis 2030 befristeten Investitionsbeiträge für Fotovoltaikanlagen, Biomasse und Wasserkraft bis Ende 2035 verlängert werden.

Zudem soll ein Ausbauziel für 2050 ins Gesetz aufgenommen werden. Für die Zeit nach 2035 können im Rahmen des in Gesetz verankerten Monitorings zusätzliche Massnahmen beantragt werden, wenn der Zubau mit erneuerbaren Energien den Zubaupfad zu stark unterschreiten sollte.

Die Förderung soll grundsätzlich in Sinne der Kontinuität und Vorhersehbarkeit mit den bestehenden Instrumenten weitergeführt werden. Ein grundsätzlicher Systemwechsel mit völlig neuen Instrumenten hätte negative Auswirkungen auf den Zubau und die Fördereffizienz, schreibt der Bundesrat.

Künftig sollen auch neue Wind-, Kleinwasser- und Biogasanlagen sowie Geothermie-Kraftwerke Investitionsbeiträge beantragen und damit auch einen Teil der Planungskosten decken können. Sie erhalten ab 2023 aber keine Einspeisevergütungen mehr.

Im Solarbereich werden die heute fixen Einmalvergütungen für grosse Fotovoltaikanlagen durch Beiträge ersetzt, die über Ausschreibungen festgelegt werden. Dabei erhält jener Produzent den Zuschlag, der eine bestimmte Menge Solarenergie am günstigsten produziert.

Die Fördermittel für Investitionsbeiträge für neue Grosswasserkraftwerke werden verdoppelt. Besonders bedeutsame Anlagen können bei der Förderung zudem prioritär behandelt werden.

Die Kosten für die angepassten Fördermassnahmen betragen rund 215 Millionen Franken pro Jahr. Die Finanzierung erfolgt durch den bereits heute bestehenden Netzzuschlag. Dieser bleibt bei 2,3 Rappen pro Kilowattstunde.

Der weitere Zeitplan des Bundesrats sieht vor, dass das Uvek bis Anfang 2021 eine Änderung des Stromversorgungsgesetzes erarbeiten soll. Das revidierte Energiegesetz geht nun in die Vernehmlassung. Diese dauert bis zum 12. Juli 2020.

Das Parlament hatte seinen Willen beim Thema Strommarkt erst kürzlich mit einer überwiesenen Motion kundgetan. Es will die Versorgungssicherheit langfristig mit einheimischem Strom sichern und die Zuständigkeiten klären.

Die SP - die Partei von Energieministerin Simonetta Sommaruga - lehnte eine Liberalisierung bisher ab. Darüber könne erst diskutiert werden, wenn das Stromabkommen mit der EU in Kraft sei, schrieb sie in ihrer Vernehmlassungsantwort. Die bürgerlichen Parteien haben sich dafür ausgesprochen.

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