Kunde perplex, weil er im Laden nichts ausprobieren darf
Ein Interdiscount-Kunde möchte im Laden Kopfhörer kaufen, darf diese aber nicht mal aus der Schachtel nehmen. Normal? Elektrofachhändler klären auf.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Mann (43) will bei Interdiscount im Laden Kopfhörer kaufen.
- Zu seinem Ärger darf er diese aber nicht mal aus der Schachtel nehmen.
- Interdiscount erklärt dies mit der Hygiene – und setzt auf ein neues Ladenkonzept.
- Der Experte betont: Wenn ein Geschäft überleben will, braucht der Kunde einen Mehrwert.
Statt online zu bestellen, will Marco* (43) seine JBL-Kopfhörer lieber im Laden kaufen. Damit er sie mal in die Hände nehmen, anschauen oder aufsetzen kann.
Doch dort folgt dann die Enttäuschung. Der Verkäufer erklärt ihm, er dürfe das Produkt nicht aus der Kartonschachtel nehmen und anschauen.
Schon gar nicht anfassen oder gar aufsetzen. Sonst könne er die Kopfhörer dann nicht mehr weiterverkaufen.
Dasselbe erklärt ihm der Verkäufer für Sport-Kopfhörer der Marke Shokz.
«Wo bleibt denn da der Mehrwert gegenüber der Online-Bestellung?», ärgert sich Marco. Und entscheidet sich, dann doch noch mal über den Kauf zu schlafen.
Konsum-Experte: «Reicht nicht aus»
Solche Entwicklungen sind dem Konsumforscher Christian Fichter bekannt.
Und er warnt davor: «Einfach nur Produkte im Regal zu stapeln und sie originalverpackt zu verkaufen, reicht nicht aus. Wenn ein Geschäft überleben will, muss es den Kunden einen klaren Mehrwert bieten.»
Das seien vor allem zwei Dinge: die persönliche, kompetente Beratung von Mensch zu Mensch. Sowie die Möglichkeit, die «Prüfqualität» eines Produkts zu erleben.

Heisst, es in die Hand zu nehmen, das Material zu spüren, Funktionen auszutesten. «Wenn das wegfällt, dann sagt der Kunde zu Recht: ‹Ich sehe hier null Vorteile gegenüber dem Internet›.»
Bleiben wegen Hygiene in Schachtel
Es gibt konkrete Gründe für die Einschränkungen beim Ausprobieren, wie Interdiscount auf Anfrage erklärt.
Sprecherin Salome Balmer erklärt: «Kopfhörer und ähnliche Artikel, die direkt mit der Haut in Kontakt kommen, dürfen aus hygienischen Gründen nicht ausprobiert werden.»
Dies stelle sicher, dass alle Kunden neue und unbenutzte Produkte erhalten. Ausserdem könnten bereits geöffnete Produkte nicht mehr zum Originalpreis (weiter)verkauft werden.
Das betrifft gemäss Balmer hauptsächlich drei Produktegruppen: Verbrauchsmaterial wie Tinte und Toner; Hygieneartikel wie Kopfhörer, Rasierer, Zahnbürsten; sowie versiegelte oder verschweisste Produkte wie Software, Games, Speicherkarten.
Dies halten auch andere Elektrofachhändler wie Mediamarkt oder Fust so.
«Hygieneartikel wie Zahnbürsten, Rasierer oder In-Ear-Kopfhörer können nicht getestet werden», schreibt Juliana Herriger von Mediamarkt auf Anfrage. Abgesehen davon seien nahezu alle im Laden erhältlichen Produkte für ein «interaktives Einkaufserlebnis» zugänglich.
Denn das physische Erleben von Produkten im Laden spiele eine entscheidende Rolle im Wettbewerb mit dem Online-Markt, so Herriger.
Auch Mediensprecher Luca Joss von Fust betont: «Wir stellen für nahezu alle Elektro-Gross- und Kleingeräte ein Ausstellungsmodell zur Verfügung. So können diese vor dem Kauf oder während einer Beratung vor Ort gesehen und berührt werden.»
Läden rüsten um
Interdiscount, Fust und Mediamarkt erklären unisono, dass sie genau aus diesem Grund ein neues Laden-Design-Konzept einführen oder schon umgesetzt haben.
So hat Interdiscount gemäss Mediensprecherin Salome Balmer bisher 30 Filialen mit dem neuen Ladenkonzept eröffnet. 2025 und 2026 sollen jeweils 25 weitere Folgen.
Das Konzept rücke die Erlebbarkeit vieler Produkte in den Vordergrund; anfassen, ausprobieren und sich ein genaues Bild machen.
«Dort haben wir unter anderem Kopfhörer-Ausstellungsstücke, die anprobiert werden können», so Balmer. Auch andere Produkte wie Smartphones, Smartwatches, Kameras, Rasierapparate und mehr seien in den neuen Filialen ausgestellt.
Diese Produkte seien dann nicht für den Verkauf bestimmt.
Beim Preis gewinnt der Onlinehandel
Ein neues Konzept, das unabdingbar scheint. «Wenn Händler das nicht bieten, bleibt am Ende nur der Preis als Differenzierungsmerkmal. Und den gewinnt meistens der Onlinehandel», sagt Konsumexperte Christian Fichter.
Auch wenn er gleichzeitig betont, dass das natürlich nicht bedeute, dass Kunden einfach selbst Verpackungen aufreissen können. «Das geht gar nicht.»
Aber wenn jemand ein Produkt ausprobieren möchte, sollte es selbstverständlich sein, dass ein Verkäufer es für ihn auspackt, so Fichter.
*Name von der Redaktion geändert