Latino-Ehe im Bundesrat: Können Linke jetzt jubeln?
Der neu gewählte Bundesrat Martin Pfister ist mit einer Brasilianerin verheiratet. Welchen Einfluss dies auf seinen politischen Kurs hat.
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Das Wichtigste in Kürze
- Mitte-Bundesrat Martin Pfister lebt in einer internationalen Ehe.
- Damit ist er als bürgerlicher Bundesrat eine Ausnahme.
- Personen im Amt tickten oft plötzlich anders, sagt Kommunikationsberater Markus Knill.
Latino-Flair wehte über die Zuschauertribüne, als das Parlament Martin Pfister in den Bundesrat wählte. Seine Familie jubelte und fiel sich überglücklich in die Arme.
Die Ehefrau des frisch gewählten Zuger Mitte-Bundesrats, Cacilda Giacometti Pfister, stammt ursprünglich aus Brasilien.
Sie wuchs nördlich von Rio de Janeiro auf. Mit 23 Jahren kam sie in die Schweiz, wie die «Schweizer Illustrierte» berichtete. In die Ehe mit Pfister brachte sie ihre beiden Töchter. Für deren Enkel ist ihr «Vovô», portugiesisch für «Grossvater», jetzt Bundesrat.
Brasilianische Spezialitäten gehören bei Pfisters beim Sonntagsbrunch auf den Tisch.
Ausnahme bei bürgerlichen im Bundesrat
Justizminister Beat Jans (SP) ist mit einer schweizerisch-amerikanischen Doppelbürgerin verheiratet. Bei den Bürgerlichen im Bundesrat ist Martin Pfister der einzige Vertreter, der in einer internationalen Ehe lebt.
Bei asyl- und migrationspolitischen Themen zeigte er bisher eine zurückhaltende Position. Es sei schwer zu beeinflussen, wie viele Menschen in die Schweiz kämen, sagte er dem «Tages-Anzeiger». Das hänge vor allem von internationalen Entwicklungen ab.
Fixe Obergrenze für die Zuwanderung bezeichnete Pfister als «schwierig». Für die rechtsbürgerliche «Weltwoche» bog er damit bereits ins «links-grüne Gelände» ab.
«Verwandeln sich rasch in ein Chamäleon»
Pfisters Latino-Ehe soll für linke Anliegen aber nicht mehr Chancen versprechen.
Marcus Knill hat in seiner Karriere auch schon Bundesratsberater unterstützt. Das private Umfeld beeinflusse selbstverständlich alle Menschen, sagt der Kommunikationsberater zu Nau.ch.
«Schon oft habe ich festgestellt, dass Personen jedoch plötzlich anders ticken, wenn sie im Amt sind», sagt Marcus Knill. Politiker liessen sich aber vor allem von Interessen und Machtstreben leiten.
Als Beispiel nennt er die Hearings bei der SP und den Grünen. «Ich kann mir gut vorstellen, dass Kandidat Pfister genau wusste, dass er nur mit deren Stimmen gewählt werden kann.» Deshalb habe er wohl dieses Europa- und Nato-freundliche Bild hinterlassen.
Kompromisse, die ein Politiker eingehen muss, können laut Knill auch zu einem Gesinnungswandel führen. Sein Fazit: «Wenn Interesse und Macht mitspielt, verwandelt sich der Mensch rasch in ein Chamäleon.»
SVP-Politiker in internationalen Ehen
Linke Nationalrätinnen und -räte nehmen Pfister wegen seiner Latino-Ehe auch nicht in die Pflicht.
SP-Nationalrätin Farah Rumy kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Die Nationalität der Partnerin oder des Partners eines Bundesrats habe keinen Einfluss auf deren oder dessen Politik, sagt sie. «Ansonsten stünde wohl mancher SVP-Politiker, der mit einer ausländischen Person liiert ist, weniger stramm rechts.»
Etwa der «Weltwoche»-Verleger und ehemalige SVP-Nationalrat Roger Köppel ist mit einer gebürtigen Vietnamesin verheiratet. Die Partnerin von SVP-Nationalrat Erich Hess ist gebürtige Ukrainerin.
Unabhängig von der persönlichen Weltanschauung erwartet Rumy von jeder Bundesrätin und jedem Bundesrat eine sachliche, evidenzbasierte Regierungsführung.
Diese orientiert sich laut Rumy am humanitären Völkerrecht, den Menschenrechten und den Grundprinzipien der Demokratie.
«Es darf keinen Platz für Populismus oder die gefährliche Einflussnahme rechtsradikaler Strömungen geben.» Diese würden die weltweit demokratische Werte und den gesellschaftlichen Zusammenhalt untergraben.
«Seine Frau müsste im Bundesrat sitzen»
SP-Nationalrat Fabian Molina befürchtet, dass Martin Pfister die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht «wirklich ändern» wird. «Die SVP-FDP-Mehrheit dominiert.»
Zudem ist Pfisters Latino-Ehe für Molina nicht mehr «als die gesellschaftliche Realität, die im Bundesrat abgebildet ist». Viele Schweizerinnen und Schweizer führten internationale oder binationale Beziehungen.
Lisa Mazzone, Präsidentin der Grünen, sieht einen wirklichen Einfluss auf die Politik, wenn Pfisters Frau selbst im Bundesrat sässe.
«So würde das Gremium die Bevölkerung besser abbilden: Migrationshintergrund und Frauen fehlen heute stark.»
Martin Pfister stand für Auskünfte nicht zur Verfügung. Seine nächsten gut zwei Wochen gälten der Einarbeitung in die neue Aufgabe, meldet die Bundeskanzlei.