Leck in Zürich: Justiz-Daten gelangten jahrelang in falsche Hände
Jahrelang liess die Zürcher Justizdirektion mangelhaft gelöschte Festplatten entsorgen. Die Daten, auch Adressen von Richtern, gelangten in die falschen Hände.
Das Wichtigste in Kürze
- Jahrelang löschte die Zürcher Justizdirektion Daten nicht ausreichend von entsorgten PCs.
- Dadurch gerieten teils hochsensible Daten in die falschen Hände.
- Milieu-Anwalt und Kantonsrat Landmann fordert Aufklärung und Antworten.
Wegen des Besitzes und Verkaufs von 400 Kilogramm Drogen wurde Roland Gisler, der Betreiber eines berüchtigten Zürcher Lokals, verurteilt. Doch der Fall des Mandanten des berühmten Milieu-Anwalts und Zürcher Kantonsrats Valentin Landmann hat etwas viel Grösseres ausgelöst: Er warf Licht auf ein grosses Datenleck bei der Zürcher Justizdirektion.
Denn beim Prozess wurden 20 Festplatten, welche die Justizdirektion verwendet hatte, übergeben. Er habe diese in seinem Lokal «gefunden», sagte Gisler gegenüber den «Tamedia»-Zeitungen, die über das Datenleck berichten.
Sein Bruder habe für eine Firma gearbeitet, die für die Justizdirektion Computer und Drucker entsorgt habe, erklärt Gisler. Als die Firma den Betrieb einstellte, übernahm der Bruder die Aufgabe. Er musste die Computer und Drucker abbauen und abtransportieren, die Geräte dienten als Zahlung. Er gelangte damit an tausende Geräte, die die Justizdirektion verwendet hatte, und verkaufte sie meist ins Ausland.
Zuvor habe der Bruder die Daten von den Festplatten gelöscht, sagt Gisler. Die Justizdirektion habe dies in den meisten Fällen nämlich nicht getan. So sei er an grosse Mengen an Daten gekommen.
Wie kann es sein, dass teils sensible Daten aus der Justizdirektion an Personen aus dem Umfeld des Drogenmilieu gelangen? Das wollen auch Valentin Landmann und zwei weitere Zürcher Kantonsräte wissen und haben eine Anfrage an die Regierung gestellt. Sie wollen wissen, wer verantwortlich dafür ist, dass «zahlreiche Festplatten der Justizdirektion mit teilweise hochsensiblen Daten in falsche Hände gelangten».
Die Justizdirektion, zahlreiche Staatsanwaltschaften, der Psychiatrisch-Psychologische Dienst sowie Ämter und Behörden seien betroffen. Gutachten über Beschuldigte, Handynummern und Adressen von Polizisten sowie Unterlagen aus der Planung der Polizei seien in falsche Hände geraten. Es sei «verheerend», was alles auf den entsorgten Festplatten drauf gewesen sei, so Landmann.
Datenleck mindestens von 2008 bis 2012
Gegenüber «Tamedia» bestätigt die Staatsanwaltschaft das Datenleck, eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Auch das Generalsekretariat der Justizdirektion bestätigt den Vorfall. Er habe sich «mutmasslich um das Jahr 2008» zugetragen. Später wird eingeräumt, dass man zwischen 2006 und 2012 mit dem externen Entsorgungsbetrieb zusammengearbeitet habe.
Gemäss Landmann hat es das Datenleck mindestens bis 2012 gegeben: «Ich habe selbst ein Gefährdungsgutachten des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes mit internen Anweisungen einsehen können. Es ist mit September 2012 datiert», sagt er. Der Umfang der betroffenen Daten und wer für deren Löschung zuständig war, ist unklar.
Dass es gefährlich sein kann, wenn sensible Daten der Justizdirektion in die falschen Hände gelangen, zeigt Roland Gisler. Er soll Staatsanwälte und Richter mithilfe der Daten aus dem Leck bedroht habe. Er rief sie auf privaten Handynummern an und stattete ihnen zuhause Besuche ab. Deswegen erwartet den Lokal-Betreiber nun ein weiteres Strafverfahren.