Long Covid: Patienten kämpfen vergebens um IV-Rente
Besonders ausgeprägtes Long Covid kann dazu führen, dass Betroffene arbeitsunfähig sind. Doch für eine IV-Rente reicht dies anscheinend nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Long-Covid-Betroffene und Fachpersonen kritisieren die Invalidenversicherung.
- Diese würde das Krankheitsbild nicht richtig erfassen.
- Lediglich vier Prozent der Long-Covid-Gutachten führen zu einer IV-Rente.
Die Erfahrungen von Long-Covid-Betroffenen mit der Invalidenversicherung (IV) sind geprägt von langwierigen Verfahren und Gutachten. Das Krankheitsbild würde nicht richtig erfasst und als Depressionen abgestempelt werden. So lautet die Kritik von Betroffenen und Fachpersonen.
Maja Strasser ist Neurologin und betreut 160 Long-Covid-Patientinnen und -Patienten in ihrer Facharztpraxis in Solothurn. Sie ist eine der wenigen Spezialisten für diese Erkrankung in der Schweiz.
«Mit Long Covid oder dem schweren Verlauf der Krankheit, ME/CFS, haben Betroffene bei den IV-Gutachterstellen eigentlich schon verloren», sagt Strasser zum SRF-Kassensturz. Myalgische Enzephalomyelitis (ME/CFS) ist eine schwerwiegende neuroimmunologische Erkrankung, die zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung führt.
Viele Betroffene sind wegen Long Covid arbeitsunfähig
Viele ihrer Patienten seien sehr krank, so Strasser. Keine andere Gruppe sei jedoch so anspruchsvoll wie diejenige mit Long Covid oder ME/CFS.
Das Krankheitsbild sei extrem komplex und die Betreuung der Patienten anspruchsvoll. Viele seien zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Die IV hingegen habe Schwierigkeiten, das Krankheitsbild einzuordnen. «Die Gutachter verstehen die Krankheit in den meisten Fällen nicht», so der Vorwurf Strassers.
Belastungsintoleranz: Ein zentrales Symptom
Sie erklärt, weshalb: «Noch nie habe ich ein Gutachten gesehen, das den zentralen Aspekt des schweren Krankheitsverlaufs – die Belastungsintoleranz – auch nur annähernd gewürdigt hat», sagt Strasser in der Sendung. Sie fordert daher eine Anpassung der Gutachterprozesse für Long Covid durch die IV.
Bislang haben sich 5000 Menschen mit Long Covid bei der IV gemeldet. Nur etwa vier Prozent von ihnen haben eine Rente erhalten. Manuela Bieri, Vorstandsmitglied von Long Covid Schweiz, sieht darin einen Hinweis darauf, dass viele Betroffene als gesund eingestuft werden.
IV rät Betroffenen zur Sozialhilfe
Ein weiterer Kritikpunkt ist die lange Dauer der Verfahren. Von der Anmeldung bis zur Entscheidung vergeht viel Zeit. Allein auf einen Termin für ein Gutachten müsse man jahrelang warten, so Bieri gegenüber SRF.
Nicole Spychiger, eine 37-jährige Long-Covid-Patientin, hat durch ihren Jobverlust und ihre Krankheit ihr Vermögen verloren. Die IV hat ihr geraten, sich bei der Sozialhilfe zu melden. «Ich dachte immer, wir seien gut versichert. Und dann fällst du längere Zeit aus, mit einer Krankheit, die neu und nicht nachweisbar ist, und du fällst überall runter», sagt Spychiger.