Ein Video, das derzeit im Netz kursiert, sorgt für Empörung. Es zeigt einen Mann, der sich in einem Zürcher Regionalzug ungeniert rasiert.
Ein «absolutes No-Go»: Hier rasiert sich ein Mann im Zug. - Tiktok / @_szene_isch_zueri

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Mann rasiert sich in einem Zürcher Zug den Bart.
  • Negatives Verhalten von Reisenden im ÖV ist aktuell ein grösseres Problem.
  • Mitarbeitende haben vor allem mit Aggressionen zu kämpfen.
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Richtig gesehen: Hier rasiert sich ein Pendler seelenruhig mitten in einer Zürcher S-Bahn den Bart. Das Video kursiert derzeit im Netz – und sorgt dort für ungläubige Reaktionen.

«Absolutes No-Go!», empört sich auch Knigge-Expertin Katrin Künzle bei Nau.ch. «Niemand möchte im öffentlichen Verkehr die intime Körperpflege seines Mitreisenden miterleben.»

Wer sich im Zug rasiere, die Nägel schneide oder die Haare bürstet, verhalte sich respekt- und stillos. «Diese Tätigkeiten hinterlassen auch eklige Spuren. Wer will auf einem Sitz mit Haaren oder Fingernägeln Platz nehmen? Die Verursacher sicher auch nicht.»

Sie rät, einfach fünf Minuten früher aufzustehen.

Nüssli-Sünder wirft Schalen in Erste-Klasse-Wagen auf Boden

Neben Haaren hinterlassen Passagierinnen und Passagiere auch jegliche anderen Arten von Abfall. Nau.ch-Bilder zeigen, wie jemand in der ersten Klasse Pistazien knackte – und die Schalen einfach auf den Boden fallenliess.

Pendler
Ein Pendler hat in einem Ersten-Klasse-Wagen der SBB eine Aufgabe für das Reinigungspersonal hinterlassen ...
SBB
... die Schalen hat er beim Nüssli-Essen einfach auf den Zugboden fallen gelassen.
SBB
Littering ist jedoch nicht das grösste Problem, mit dem das ÖV-Personal derzeit zu kämpfen hat.
Pendler
Denn: Sie klagen bei der ÖV-Gewerkschaft SEV, dass aggressives Pendler-Verhalten seit dem Höhepunkt 2021 kaum abgenommen habe.
SBB
Ein ehemaliger Zugbegleiter sagt: «Sogar Lokführerinnen und -führer werden mittlerweile öfter angepöbelt.»

Putzen müssen das dann Reinigungskräfte, «die keinen fürstlichen Lohn» verdienen, wie Jürg Hurni erklärt. Er ist ehemaliger Zugbegleiter und Gewerkschaftssekretär bei der ÖV-Gewerkschaft SEV.

«Dieser Job ist sicher nicht immer angenehm. Die Mitarbeitenden müssen die WCs putzen und den Abfall, der in den Zügen gelassen wird, wegräumen.»

Sogar Lokführer werden öfter angepöbelt

Dass sich gewisse Pendlerinnen und Pendler daneben benehmen, bekommt jedoch nicht nur das ÖV-Putzpersonal zu spüren. «Littering ist noch ein kleines Problem», meint SEV-Sprecher Michael Spahr.

Problematischer sei im Moment aggressives Verhalten gegenüber dem ÖV-Personal. «Unsere Mitglieder beklagen sich darüber, dass negatives Verhalten allgemein zugenommen hat.»

Wie verhältst du dich im ÖV?

Das ist zwar bereits bekannt. Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigten beim ÖV-Fehlverhalten 2021, also während Corona, einen Höhepunkt.

Aber: «Die subjektive Wahrnehmung des Personals ist, dass es sich kaum verbessert hat. Stattdessen hat es sich auf hohem Niveau eingependelt.» Viele würden Vorfälle nicht mehr melden, aus Ernüchterung. «Weil sie denken, es wird eh nichts dagegen unternommen.»

Verbale Angriffe seien relativ häufig, sagt Ex-Zugbegleiter Hurni. Doch auch physische Angriffe gebe es, vor allem gegen Kundenbegleitpersonal. «Auch die Transportpolizei und sogar Lokführerinnen und -führer werden mittlerweile öfter angepöbelt

SBB: «Einzelne Vorfälle gröber geworden»

Die SBB betont auf Anfrage, dass die gesamtschweizerische Sicherheitslage in ihren Zügen und Bahnhöfen stabil sei.

Aber: «Die SBB beobachtet, dass einzelne Vorfälle gröber geworden sind.» Gewalt oder Aggression gegen Angestellte sei ein Offizialdelikt, das die SBB zur Anzeige bringe.

Das Litteringproblem habe sich aber nicht vergrössert. «Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand und die gegenseitige Rücksichtnahme.» Fühle man sich von jemandem gestört, könne man das SBB-Personal oder die betroffenen Reisenden direkt darauf aufmerksam machen.

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