Menschenhandel-Alarm in Schweizer Nagelstudios
In Schweizer Nagelstudios kommt es oft zu Arbeitsausbeutung. Weil einige Angestellte keine Arbeitsbewilligung haben, sind sie den Arbeitgebern ausgeliefert.
Das Wichtigste in Kürze
- In Schweizer Nagelstudios ist die Situation der Angestellten teils prekär-
- Viele hätten keine Arbeitsbewilligung und seien dadurch den Arbeitgebern ausgeliefert.
- Ein Polizist berichtet von Personen, die nicht wussten, in welchem Land sie arbeiteten.
Rund 4300 Nagelstudios gibt es laut dem Branchen- und Telefonverzeichnis der Swisscom in der Schweiz. Die Anforderungen für die Eröffnung sind minimal, die Ausstattung kostet rund 1000 Franken. Zudem gibt es keine Vorschriften zur Ausbildung, Hygienestandards oder Arbeitsbedingungen. Und genau das mache Nagelstudios anfällig für Ausbeutung, sagt Alexander Ott, Co-Leiter der Fremdenpolizei der Stadt Bern.
Gegenüber SRF sagt er, dass bei 15 Kontrollen in grösseren Nagelstudios in zwölf Missstände entdeckt worden seien. Dabei habe es sich um Schwarzarbeit, Arbeit auf Abruf oder ohne Lohn, Personen ohne Aufenthaltsbewilligung und Scheinehen gehandelt.
Er erzählt von einem Nagelstudio, bei dem vier bis sechs Angestellte in einer kleinen Wohnung gelebt hätten. Sie seien jeweils direkt zur Arbeit und wieder nach Hause gefahren worden. «Wir habe teilweise Personen angetroffen, die keine Ahnung hatten, in welchem Land sie überhaupt sind», so Ott.
Von einem Fall von Zwangsarbeit berichtet auch Doro Winkler von der Fachstelle Frauenmigration und Frauenhandel FIZ: Eine Familie in Vietnam war hochverschuldet, die Eintreiber boten der Tochter Arbeit im Ausland an, um die Schulden abzuarbeiten. Die Tochter erhielt Papiere und arbeitete dann zwangsweise in Restaurants und Nagelstudios verschiedener Länder Europas. Bei einer Kontrolle fiel sie der Schweizer Polizei auf, die sie zur FIZ brachte.
Hohe Dunkelziffer bei Arbeitsausbeutung
Vietnamesinnen erhalten in der Schweiz nur eine Arbeitsbewilligung, wenn sie hochspezialisiert oder mit einem Europäer verheiratet sind. Die fehlende Bewilligung bedeute Gefahr, als illegale Migrantin kriminalisiert zu werden. «Durch die prekäre Aufenthaltssituation sind sie dem Arbeitgeber ausgeliefert und ausbeutbar», so Winkler. Job- oder Studiowechsel seien für Personen, die illegal arbeiteten, nicht möglich.
Teilweise sei die Situation der Angestellten in Nagelstudios prekär, sagt Ott von der Fremdenpolizei. Doch es sei schwierig, die Opfer von Arbeitsausbeutung zu identifizieren. Entsprechend hoch sei auch die Dunkelziffer.