Migros: Neue Tiefpreis-Strategie beunruhigt Bauern
Die Migros will die Preise auf Discounter-Niveau bringen. Bauern fürchten sich nun vor einer «gefährlichen Spirale». Die Migros betont, man bleibe «immer fair».
Das Wichtigste in Kürze
- Die Migros kündigt an, die Preise von über 1000 Produkten zu senken.
- Bauernpräsident Markus Ritter sagt: «Die Preissenkungen beunruhigen mich sehr.»
- Bauern fürchten, dass die Migros den Preisdruck weitergibt.
- Die Migros betont, dass die Preissenkungen nicht auf Kosten der Bauern gehen.
Mit einem deutlichen Versprechen hat die Migros ihre neue Tiefpreis-Strategie angekündigt: «Die tieferen Preise gehen ausdrücklich nicht auf Kosten von Bauern und Produzenten.»
Trotzdem: Schweizer Bauern reagieren skeptisch – und wittern drohenden Druck auf ihre Margen.
Bauern-Präsident und St. Galler Mitte-Nationalrat Markus Ritter sagt zu Nau.ch: «Die Preissenkungen beunruhigen mich sehr. Ich habe grosse Bedenken, dass es nicht lange dauert, bis die Migros versucht, ihrerseits günstiger einzukaufen.»
Das wäre inakzeptabel, betont er. Denn: Laut ihm müssen die Preise für die Bauern steigen, nicht sinken. «Damit die Landwirtschaft die gestiegenen Kosten decken kann.»
Bauernpräsident will «Migros beim Wort nehmen»
Ritter warnt: «Wir nehmen die Migros beim Wort und werden aufmerksam beobachten, ob sie die Preissenkungen vollumfänglich selbst auffängt. Und keinen Druck auf ihre Lieferanten ausübt, die diesen dann unweigerlich an die Bauern weitergeben würden.»
Und er betont: «Lebensmittel sind wertvoll und der Preis muss diesen Wert widerspiegeln. Gerade beim Essen, bei dem es auch um Umwelt, Tierwohl und soziale Standards geht, ist Geiz gar nicht geil.»
Auch der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS), der sich für gerechte Preise einsetzt, zeigt sich gegenüber der Migros-Pläne skeptisch. Auf den ersten Blick seien die Preissenkungen zwar erfreulich. «Wir kritisieren ja die zunehmende Preisschere zulasten der Produzenten schon lange», sagt Präsident Stefan Flückiger zu Nau.ch.
Er erklärt: «Vom Konsumentenfranken geht immer weniger zum Produzenten und immer mehr zum Detailhändler.»
Beim genaueren Blick folge dann das grosse Aber. «Wir machen uns grosse Sorgen, wie realistisch es ist, Kosteneinsparungen dieser Grössenordnung ohne Druck auf die Lieferanten zu verwirklichen. Und ob die Migros genügend Effizienzsteigerungs-Potenzial hat, um die Preissenkungen mit eigenen Einsparungen umzusetzen.»
Zudem sei zu befürchten, dass die Mitbewerber nach den angekündigten Preissenkungen nicht untätig bleiben. «Damit kommt eine gefährliche Spirale nach unten in Gang», warnt Flückiger.
Bauernlobby fordert «Gegenmacht» zu Grossverteilern
Verstärkt werde diese durch das Phänomen der Marktmacht, wobei der Preis nicht über Angebot und Nachfrage bestimmt wird. «Marktmächtige Unternehmungen wie die Migros haben einen grösseren Einfluss auf die Preisbildung», erklärt er. «Und deshalb nimmt der Druck auf die Produzentenpreise bestimmt zu.»
Hans Jörg Rüegsegger, SVP-Nationalrat und ehemaliger Präsident des Berner Bauernverbands, ist die Marktmacht ebenfalls ein Dorn im Auge.
Er kritisiert den Orangen Riesen für die Tiefpreis-Kampagne: «Schön für die Konsumenten, aber höchst bedenklich, wenn Grossverteiler mit Grundnahrungsmitteln solche Aktionen durchführen», sagt er zu Nau.ch. Das sei ethisch nicht vertretbar.
Zudem kritisiert er: «Die Migros prescht mit ihrem Versprechen vor. Während die Preise für die produzierten Lebensmittel aufgrund gestiegener Kosten auf Produzentenseite noch nicht überall angepasst worden sind.»
In vielen Sektoren – etwa bei der Milch – dominiere die Migros den Markt. Rüegsegger fordert den Bundesrat auf, den Aufbau einer «Gegenmacht» gegen Migros und Coop zu ermöglichen. «In der EU können sich bis zu einem Drittel der Produzenten zusammenschliessen, ohne dass das gegen das Kartellrecht verstösst. Das braucht es auch in der Schweiz.»
Migros: «Immer fair»
Auf Anfrage von Nau.ch wehrt sich die Migros. Sie betont, wie wichtig die Bauern seien und dass die Preissenkungen weder zulasten der Bauern noch der Produzenten gingen.
Sprecherin Carmen Hefti betont: «Richtpreise, die von den Branchenorganisationen ausgehandelt werden, werden weiter eingehalten. Unabhängig von den Preissenkungen verhandeln wir konstant die Preise – immer kompetitiv, aber immer fair.»
Die Preissenkungen werden laut dem Unternehmen stattdessen dank des aktuellen Transformationsprozesses ermöglicht. Dieser beinhaltet Einsparungen sowie das Abstossen nicht rentabler Geschäfte.
«Die Organisation der Migros wird schlanker und arbeitet über alle Genossenschaften hinweg effizienter zusammen», sagt Hefti. «Das eingesparte Geld kommt direkt unseren Kundinnen und Kunden in Form von tieferen Preisen und besserer Qualität zugute.»