Mutmasslicher Terrorist entwischt Schweizer Behörden
Ein mutmasslicher Terrorist entwischte den Schweizer Behörden. Justizministerin Keller-Sutter wirbt unterdessen mit seinem Fall für das Anti-Terror-Gesetz.
Das Wichtigste in Kürze
- Keller-Sutter wirbt unter anderem mit dem Fall Miran S. für das Anti-Terror-Gesetz.
- 2019 kündigte der Schweizer mit Wurzeln im Balkan an, er werde «all diese Muslime» töten.
- Trotz zweimaliger Verhaftung und eingeleitetem Verfahren ist er der Justiz entkommen.
Miran S. kündigt im Sommer 2019 über soziale Medien an, dass er «all diese Muslime töten» werde. Der damals 17-Jährige lädt Video-Clips des australischen Neonazis hoch, der im März 2019 in Christchurch (NZL) 51 Muslime erschoss.
Unter den Beitrag schreibt er: «Irgendwann möchte ich das Gleiche in der Schweiz tun.» Im Chat gibt er auch zu verstehen, dass es in seiner Nähe eine Moschee gebe. Um welche Moschee es sich dabei handelt, bleibt bisher unbekannt. Gemäss dem «Tagesanzeiger» könnte es sich um jene in St. Gallen handeln, da diese am nächsten bei seinem Wohnort liegen würden.
Ein britischer Nachrichtendienst meldet sich aber bei den Schweizer Behörden: Einige von Mirans Chatpartnern seien den Briten bekannt. Zudem warnt die deutsche Polizei davor, dass der damals Minderjährige in einem Forum präsent sei, das sich auf Sprengstoffe spezialisiere.
Drogerie meldet Bestellung von Chemikalien
Auf sozialen Medien prahlt er etwa damit, dass er Bomben basteln könne oder Waffen besitze. Der junge Mann mit Wurzeln im Balkan bestellt online bei einer Drogerie 7,5 Kilogramm Aceton, 4 Kilogramm Wasserstoffperoxid und 5 Kilogramm Salzsäure.
Diese blockiert die Bestellung und meldet das dem Bundesamt für Polizei (Fedpol). Mit den von Miran S. bestellten Chemikalien lässt sich nämlich der hochexplosive Initialsprengstoff TATP herstellen. Da der Ostschweizer eine Lehre im Bereich Elektronik angefangen hat, dürfte er auch das Fachwissen haben, um einen elektrischen Zündmechanismus zu konstruieren.
Eines Tages wird er von der Kantonspolizei auf dem Weg zu seinem Arbeitsort verhaftet. Doch nach seiner Freilassung macht er in den Chatgruppen weiter, wie ein Insider dem «Tagesanzeiger» verrät.
Als sehr gefährlich eingestuft
Deren Gruppenmitglieder sind Briten, Deutsche und Niederländer, die sich laut Fedpol auf pseudochristliche, rechtsextreme und antimuslimische Wertvorstellungen berufen. Es folgt eine zweite Verhaftung, diesmal bleibt der Jugendliche länger inhaftiert: Die Jugendstaatsanwaltschaft leitet ein Verfahren ein, die Sicherheitsbehörden des Bundes und des Kantons sind involviert.
Diese stufen den Ostschweizer als sehr gefährlich ein, doch es gilt die Unschuldsvermutung. Das Verfahren ist bis heute nicht abgeschlossen.
Aus der Familie heisse es, dass Miran S. niemals Gewalt anwenden würde, einige Bekannte bezeichnen ihn als charmanten Typen mit Grips. Für andere ist er undurchsichtig, sie sprechen laut dem «Tagesanzeiger» von schwierigen Familienverhältnissen. Viele der Befragten hätten Angst, sich klar zu äussern.
Vor einigen Monaten in den Balkan geflüchtet
Obwohl das Fedpol den Fall Miran S. in seinem Jahresbericht beschrieben hat, wolle sich die Behörde nicht dazu äussern. Dabei wirbt Justizministerin Karin Keller-Sutter an einer Medienkonferenz mit dem Fall für das geplante Anti-Terror-Gesetz. Über das Gesetz stimmt die Schweiz am 13. Juni 2021 ab.
Doch was Keller-Sutter vor den Medien nicht erwähnt: Miran S. ist der Justiz entkommen. Ihm gelang vor einigen Monaten die Flucht aus dem Kantonalzürcher Massnahmenzentrum Uitikon. Offenbar ist er ins Herkunftsland seiner Eltern auf dem Balkan geflohen.