Nationalratskommission bei Reform der Strafprozessordnung uneins

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Bern,

Der Bundesrat will die geltende Schweizerische Strafprozessordnung nachbessern. Die Nationalratskommission ist sich in wichtigen Punkten uneins.

Die Nationalratskommission ist bei Reform der Strafprozessordnung uneins. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Nationalratskommission ist sich bei der Reform der Strafprozessordnung uneins.
  • Die Änderungen betreffen unter anderem das Teilnahmerecht und DNA-Profile.

Der Bundesrat will bei der seit 2011 geltenden Schweizerischen Strafprozessordnung nachbessern und Probleme in der Praxis verhindern. Im Grundsatz hat die Vorlage in der Nationalratskommission grossen Rückhalt, in wichtigen Punkten sind sich die Mitglieder aber uneins. Die Revision beschränkt sich laut dem Bundesrat auf diejenigen Punkte, die in der Praxis tatsächlich auf Schwierigkeiten stiessen.

Dabei geht es um die Einschränkung der Teilnahmerechte, die konsequente Umsetzung des sogenannten Prinzips der «double instance» mit zwei unabhängigen Instanzen oder die Erstellung und Speicherung von DNA-Profilen zur Aufklärung früherer oder künftiger Straftaten.

Grosse Kammer befasst sich im Frühling mit dem Geschäft

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N) nahm die Änderungen der Strafprozessordnung in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen an, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Eine Minderheit beantrage, das Geschäft an den Bundesrat zurückzuweisen.

Bundesrat
Die aktuellen Vertreter des Bundesrats. - Keystone

Voraussichtlich im kommenden Frühling wird sich die grosse Kammer mit dem Geschäft befassen. Angesichts der teils knappen Ergebnisse in der Kommission dürfte die Debatte lang und komplex werden. Mehrere Änderungen zum Bundesratsentwurf stehen zur Debatte.

Einschränkung des Teilnahmerechts

So etwa beim sogenannten Teilnahmerecht. Heute haben die Parteien das Recht, an allen Beweiserhebungen teilzunehmen. Das gilt insbesondere auch für die Einvernahme von Zeugen und von Personen, die im gleichen Verfahren beschuldigt sind.

Der Bundesrat argumentiert, dass dadurch die Wahrheitsfindung erschwert werde. Er schlägt daher vor, dass das Teilnahmerecht der beschuldigten Person so lange eingeschränkt werden kann, wie diese sich zum Thema der Einvernahme noch nicht selber geäussert hat.

Die Nationalratskommission lehnt das mit 16 zu 9 Stimmen ab und möchte beim geltenden Recht bleiben. Die Mehrheit sei der Ansicht, dass es – insbesondere mit Blick auf die starke Stellung der Staatsanwaltschaft – nicht angezeigt sei, wichtige Verfahrensrechte einzuschränken. Eine Minderheit will dem Bundesrat folgen, zwei weitere Minderheiten fordern eine weitergehende Einschränkung der Teilnahmerechte.

strafgesetzbuch
Ein Strafgesetzbuch und andere Gesetzestexte. - AFP/Archiv

Knapp Nein sagt die Nationalratskommission zur vom Bundesrat vorgeschlagenen Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft. Mit 13 zu 12 Stimmen spricht sie sich dafür aus, die Beschwerdemöglichkeit weiterhin ausdrücklich nur der beschuldigten Person zu gewähren. Eine Minderheit beantragt, in dieser Frage dem Vorschlag des Bundesrates zu folgen.

DNA-Profile zur Aufklärung früherer oder künftiger Straftaten

Eine weitere geplante Änderung der Strafprozessordnung betrifft DNA-Profile: Im Gesetz soll explizit die Praxis des Bundesgerichts verankert werden, gemäss welcher DNA-Profile nicht nur zur Aufklärung jener Straftaten erstellt und gespeichert werden dürfen, um derentwillen das Verfahren geführt wird, sondern auch zur Aufklärung früherer oder künftiger Straftaten. Dafür sollen laut Bundesrat «konkrete Anhaltspunkte» bestehen.

Die Kommission möchte noch einen Schritt weitergehen und hat sich mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen dafür ausgesprochen, dass eine «gewisse Wahrscheinlichkeit» für frühere Straftaten genügen soll.

karin keller-sutter
Bundesrätin Karin Keller-Sutter spricht an einer Medienkonferenz über die Themen «Änderung des DNA-Profil-Gesetzes: Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens» und «Botschaft zur Änderung der Strafprozessordnung», am Mittwoch, 28. August 2019, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. - Keystone

Bezüglich der Aufklärung zukünftiger Taten will die Kommission dagegen beim geltenden Recht bleiben, welches DNA-Profile nur vorsieht, wenn ein gewisses Mindeststrafmass erreicht wurde beziehungsweise eine Verurteilung wegen bestimmter Delikte oder die Anordnung einer therapeutischen Massnahme oder Verwahrung vorliegt. Auch dieser Entscheid fiel mit einer einzigen Stimme Unterschied.

Prinzip der «justice restaurative»

Weiter will die Kommission das Konzept der opferorientierten Justiz («justive restaurative») in die Revision der Strafprozessordnung aufnehmen. Dieser Entscheid fiel deutlich mit 15 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Der Bundesrat lehnt das ab.

Das Prinzip der «justice restaurative» sieht vor, dass sich beide Parteien in einem Strafverfahren auf ein Mediationsverfahren einigen können. Ziel ist es, dass sich beide Parteien aktiv an der Lösung der durch die Straftat entstandenen Schwierigkeiten beteiligen. Das Ergebnis eines solchen Mediationsverfahrens könnte durch die Strafbehörde berücksichtigt werden.

Verstärkte Bekämpfung von Kinderpornografie

Einig war sich die RK-N bei der verstärkten Bekämpfung von Kinderpornografie. Sie hat einstimmig beschlossen, die verdeckte Ermittlung in diesem Bereich zu erleichtern

Ein erster Teil der Revision der Strafprozessordnung ist bereits unter Dach und Fach. Die Räte haben an der Herbstsession der Rechtsgrundlage für eine Sicherheitshaft zugestimmt. Das Parlament will damit verhindern, dass gefährliche Straftäter wegen einer Gesetzeslücke auf freien Fuss gesetzt werden müssen.

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