Notfallstationen am Anschlag: «Zuerst den Hausarzt anrufen»
Die Notfallstationen der Spitäler sind am Anschlag. Auch bei Eltern lagen die Nerven über die Festtage blank, weil viele Hausarzt-Praxen geschlossen waren.
Das Wichtigste in Kürze
- Grippe, RSV-Infektionen und Corona bringen das Gesundheitssystem an seine Grenzen.
- Viele Schweizer Notfallstationen werden täglich überrannt.
- Bei Pflegefachpersonen liegen die Nerven blank – bei Eltern ebenso.
Vor den Festtagen hatte sich die Anzahl Grippe-Kranker in der Schweiz innerhalb einer Woche verdoppelt.
Jetzt ist klar: Auch über Weihnachten und Neujahr hat sich die Lage nicht entspannt.
«Die Insel Gruppe ist derzeit maximal belegt, wobei insbesondere die Notfallzentren des Inselspitals seit Monaten über der Kapazitätsgrenze laufen», erklärt Mediensprecher Didier Plaschy auf Anfrage.
Ähnlich tönt es beim Zürcher Kinderspital: «Die Lage auf der Notfallstation bleibt angespannt. Über Weihnachten waren wir sehr ausgelastet. Grund dafür ist die hohe Anzahl an RSV-Fällen und die zusätzliche Belastung durch die Ausbreitung von Influenza», sagt CEO Georg Schäppi.
Der Umstand, dass viele Ärzte ihre Praxen über die Festtage schliessen, macht die Situation nicht besser. Eine Diskussion in einem Mütter-Forum auf Facebook veranschaulicht, wie angespannt die Nerven auf beiden Seiten sind.
Einer Mutter fragt die Community, welcher Kinderarzt zurzeit Notfalldienst habe. Daraufhin antwortet ihr eine andere Mutter, sie sei «auch sehr am Anschlag» und «noch nie so hilflos gewesen» wie die letzten Tage. Sie empfiehlt der Frau, den Notfall eines Spitals aufzusuchen.
Diese Aussage empört eine andere Mutter, die als Pflegefachfrau in einem Spital arbeitet. Sie könnte solchen Müttern bei derartigen Tipps «eines hauen», antwortet sie auf die Facebook-Diskussion: «Wir Pfleger und Ärzte sind am Anschlag, weil einfach die Leute zu faul sind, zuerst auf die Notfallnummer des Kinderspitals oder den Kinderarzt anzurufen». Dort habe es zu 95 Prozent eine Vertretung.
Das empfehlen die Spitäler
Tatsächlich raten die Spitäler erst zum Griff ans Telefon. «Wir empfehlen immer als erstes, den Kinderarzt oder Hausarzt aufzusuchen oder deren Notfall-Hotline zu wählen», sagt Georges Schäppi vom Kinderspital Zürich.
Ansonsten würden auch Krankenkassen Hotlines anbieten, bei denen sich Betroffene melden können. «Wie auch die Kindernotfall-Hotline ‹Kids Line›», so Schäppi. Dort könnten sich die Eltern medizinischen Rat holen.
Auch die Berner Insel-Gruppe empfiehl den Patienten, «wann immer möglich und abhängig von Tages- und Uhrzeit ihren Hausarzt oder dessen Vertretung zu kontaktieren», so Sprecher Didier Plaschy. Der Ärztenotdienst könne ebenfalls kontaktiert werden.
Wenn jemand nicht sicher sei, ob der Notfall aufgesucht werden soll, empfiehlt das Universitätsspital Zürich einen Anruf beim Ärztetelefon (0800 33 66 55).
Der Tenor ist jedoch bei allen Spitälern trotz Überlastung derselbe: Geht es einer Person sehr schlecht, ist der Gang zum Notfall der richtige Weg.
«Grundsätzlich wollen wir auf keinen Fall, dass Eltern das Kispi nicht mehr aufsuchen, weil sie das Personal entlasten wollen», sagt etwa Georges Schäppi. Besser einmal zu viel als einmal zu wenig vorbeikommen, wenn es dem Kind schlecht gehe.
Dies betont auch Didier Plaschy: «Niemand sollte aus gutgemeinter Rücksicht auf eine medizinische Konsultation verzichten oder diese verschieben.»