Parlament will Kantonen freie Hand lassen bei Wahlverfahren
Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat den Kantonen freie Hand bei den Wahlverfahren ihrer Behörden.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Nationalrat hat den Kantonen freie Wahl beim Wahlverfahren für ihre Behörden gegeben.
- Der Rat folgt damit dem Ständerat.
Das Parlament will den Kantonen freie Hand lassen in der Frage, wie sie ihre Behörden wählen. Nach dem Ständerat hat sich auch der Nationalrat im Grundsatz einverstanden gezeigt.
Die Änderung geht auf Standesinitiativen der Kantone Zug und Uri zurück. Ziel ist es, den Kantonen mehr Freiheit einzuräumen beim Verfahren zur Wahl ihrer Behörden. Das Bundesgericht hatte die Anforderungen ans Wahlsystem in den letzten Jahren immer mehr präzisiert.
Grundsätzlich legt es Wert darauf, dass die Stimmen aller Wählerinnen und Wähler in gleicher Weise zum Wahlergebnis beitragen und bei der Mandatsverteilung berücksichtigt werden. Unter dem Titel «Proporzwahlrecht» sollen nicht faktische Majorzwahlen durchgeführt werden dürfen.
In mehreren Urteilen hat das Bundesgericht daher festgehalten, dass keine Wahlkreise zulässig sind, in denen es für ein Mandat mehr als 10 Prozent der Stimmen braucht. In jedem Wahlkreis müssen somit mindestens 9 Sitze vergeben werden.
Handlungsbedarf erkannt
Nun will der Ständerat in der Bundesverfassung verankern, dass die Kantone frei sind in der Ausgestaltung der Verfahren zur Wahl ihrer Behörden nach dem Grundsatz des Majorzes, des Proporzes oder einer Mischform. Frei wären sie auch in der Ausgestaltung ihrer Wahlkreise. Sie sollen zudem spezielle Wahlrechtsregelungen festlegen können, etwa zum Schutz regionaler Minderheiten.
Die vorberatende Nationalratskommission hatte dies knapp abgelehnt und empfohlen, nicht auf die Vorlage einzutreten. Der Proporz bei kantonalen Wahlen solle grundrechtskonform angewendet werden, argumentierte sie. Bei zu kleinen Wahlkreisen könne etwa mit Wahlkreisverbänden oder speziellen Verteilungsregeln ein Ausgleich geschaffen werden.
Der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth erinnerte im Namen der Kommission daran, dass verschiedene Kantone ihr Wahlrecht nach den Entscheiden des Bundesgerichts angepasst haben. Es gebe daher keinen Handlungsbedarf für den Bundesgesetzgeber.
Der Zuger CVP-Nationalrat Gerhard Pfister hielt dagegen, das Bundesgericht schränke den Spielraum der Kantone bei der Ausgestaltung der Wahlverfahren zusehends ein. Der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz betonte, die Schweiz sei nicht mit dem Rechenschieber entstanden und folglich kein konstruierter Zentralstaat. Das Parlament müsse den Respekt wahren vor den kleinen Kantonen.
Den Nationalrat überzeugte diese Argumentation. Er beschloss mit 93 zu 90 Stimmen bei 2 Enthaltungen, auf die Vorlage einzutreten – gegen den Willen seiner Kommission. Damit geht diese zur Detailberatung an die Kommission zurück.