Patienten pfeifen auf den Hausarzt
Die Schweizer Notfälle behandeln heute doppelt so viele Patienten wie noch vor 15 Jahren. Denn viele gehen auf den Notfall statt zum Hausarzt. «Wir leben in einer Gesellschaft, die zu jeder Zeit das volle Angebot haben will, sei dies bei Zalando oder beim Arzt. Wir Mediziner müssen uns da anpassen.»
Volles Angebot - wie bei Zalando
«Grundsätzlich ist es immer noch am günstigsten, zum Hausarzt zu gehen», bestätigt der Direktor des Notfallzentrums. Dass die Notfall-Gänger aber für die stetig steigenden Krankenkassenprämien verantwortlich sein sollen, wie dies einige Politiker monieren, glaubt der Notfall-Direktor nicht.
Im Gegenteil: «Wir leben in einer Gesellschaft, die zu jeder Zeit das volle Angebot haben will, sei dies bei Zalando – oder beim Arzt. Wir Mediziner müssen uns da anpassen.» Wenn Leute bereit seien, einige Stunden auf eine Behandlung zu warten, sei es ihr gutes Recht, in den Notfall zu kommen.
«Es ist so, dass die Zahl der Patienten in Notfallaufnahmen und Walk-In-Kliniken schweizweit steigt», sagt Aristomenis Exadaktylos, Direktor Notfallzentrum Inselspital zu Nau. Auf dem Notfall habe sich die Zahl an Patienten in den letzten 15 Jahren von 25 000 auf 50 000 jährlich verdoppelt.
24-Stunden-Medizin als Business
Mittlerweile sehe man allerdings ein Abflachen der Kurve. Das bestätigen auch die Unispitäler Zürich und Basel. Der Grund dafür sei aber nicht, dass wieder mehr Patienten sich vom Hausarzt untersuchen lassen. «Es gibt immer mehr Anbieter im öffentlichen und privaten Raum, die 24-Stunden-Angebote machen. So verteilen sich die Patienten gut», sagt Exadaktylos. Diesem Modell folgt beispielsweise das neue «Arzthaus» in Zug: Ab Januar wird man dort an 365 Tagen im Jahr, bis spät am Abend und ohne Anmeldung behandelt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der Patienten auf den Notfallaufnahmen hat sich in den letzen 15 Jahren schweizweit verdoppelt.
- Grund dafür sei der gesellschaftliche Wandel: Die Leute wollen auch in der Medizin 24-Stunden-Angebote.
- Der Notfall sei zwar teurer als ein Hausarzt, aber nicht der Grund für die steigenden Krankenkassenprämien.