Russen wegen Ukraine Krieg diskriminiert
Auch Russen, die gegen den Ukraine-Krieg sind, sind von dessen Konsequenzen stark betroffen. Eine Ethikerin erklärt, ob dies moralisch vertretbar ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Zahlreiche Staaten und Unternehmen haben in den letzten Tagen Russland sanktioniert.
- Diese Einschränkungen betreffen aber auch jene Russen, die gegen einen Krieg sind.
- Ob und wieso dies moralisch vertretbar ist, hat Nau.ch eine Ethikerin gefragt.
Derzeit befindet sich Russland unter seinem Präsidenten Wladimir Putin in einem Angriffskrieg mit der Ukraine. Beinahe die ganze Welt hat sich bereits mit scharfer Kritik und Sanktionen gegen Russland gewandt.
Zu spüren bekommen haben die Folgen des russischen Einmarschs im Ukraine-Krieg nämlich bereits im Ausland lebende Russinnen und Russen. So wurde zum Beispiel ein russisches Restaurant in den USA aufgrund des Ukraine-Kriegs zum Opfer von Vandalismus.
In Washington, unidentified people smashed the Russian restaurant Russia House, broke the windows and tore off the Russian flag pic.twitter.com/YB6l6RRZcu
— Russia Ukraine Conflict (@Russiaconflict) February 25, 2022
«Die Tatsache, dass jemand aus Russland stammt, legitimiert solche Übergriffe nicht», betont die Ethik-Expertin Ruth Baumann-Hölzle. «Gewalt ist in jedem solchen Fall im Ausland strikte zurückzuweisen.»
Dies unter anderem auch, weil viele Russen diesen Krieg schlussendlich gar nicht wollen. «Eine ganze Bevölkerungsgruppe zu verurteilen, ohne zu wissen, wie sie sich im eigenen Land verhalten haben, stellt eine Diskriminierung dar.» Aktionen wie gegen das Restaurant in Washington sind also ethisch absolut nicht vertretbar.
Staatliche Sanktionen im Ukraine-Krieg gerechtfertigt
Anders sieht dies bei staatlichen Sanktionen aus. Auch hier bekommen russische Staatsbürger die Konsequenzen des Kriegs zu spüren, selbst wenn sie diesen nicht unterstützen. Ist es aber gerechtfertigt, die Bevölkerung eines Landes für die Aktionen ihres Anführers verantwortlich zu machen?
«In einem demokratisch gewählten Rechtsstaat bin ich als Bürger für die Aktivitäten des Staates mitverantwortlich», erklärt die Ethikerin. «Einschränkungen mir gegenüber sind in diesem Fall keine Diskriminierung, sondern Sanktionen».
Ziviler Ungehorsam gefordert
Und auch in einem Unrechtsstaat sieht die Ethikerin die Bevölkerung in der Verantwortung. Diese habe eine Pflicht zum zivilen Ungehorsam und müsse in Kauf nehmen, dann von der eigenen Regierung sanktioniert zu werden. Sie erklärt weiter: «Wenn ich aufgrund von zivilem Ungehorsam an Leib und Leben gefährdet bin, habe ich aber Anspruch auf Asyl in einem anderen Land.»
«In dieser Situation bin ich nicht mitverantwortlich für das Handeln des Unrechtsstaats. Das heisst, Massnahmen gegen mich wären Diskriminierungen», so Baumann-Hölzle. Jedoch könne man meistens nur schwer unterscheiden, wer zivilen Ungehorsam leistet und wer nicht. Daher seien Restriktionen wie jetzt im Kriegsfall generell als Sanktionen zu werten, nicht als Diskriminierung.
Durch diese soll zudem erreicht werden, dass die Bevölkerung Druck auf die eigene Regierung ausübt. Das ist auch bei den Russland-Sanktionen zu berücksichtigen. «In diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel», meint die Ethikerin weiter.