SBB gibt Schwarzfahrer Bussen-Rabatt
Tim vergisst, ein Billet zu lösen, der Kontrolleur löst die Busse aus. Als er sich bei der SBB beschwert, erhält der Passagier Rabatt. Die Kriterien.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Schwarzfahrer gerät in eine SBB-Kontrolle – der Kontrolleur löst eine Busse aus.
- Der Passagier erklärt der SBB später die Gründe für das Schwarzfahren. Und kriegt Rabatt.
- Entscheidend, ob eine Busse verringert wird, ist vor allem ein Punkt.
Mittwochabend, Tim R.* eilt mit seinen Kollegen auf den Zug am Berner Bahnhof. Die Vierer-Gruppe will mit dem ÖV nach Thun reisen. Türe zu, los gehts.
Kaum abgefahren, kommt der Kontrolleur der SBB durch den Wagen. Und Tim bemerkt: Er hat vergessen, ein Billet zu lösen.
Der Passagier erklärt sich – der Bahn-Mitarbeiter geht aber gar nicht gross auf die Geschichte ein. Er sei nur «ausführende Kraft» – die 100-Franken-Busse wird ausgelöst.
Auch zwei Tage später ärgert sich Tim noch über den «Lappen». Denn: Tatsächlich ist es ihm an diesem Abend gesundheitlich nicht gut gegangen.
Tim geht auf die Barrikaden – mit (Teil-)Erfolg
Tim nimmt den Hörer in die Hand und wählt die Hotline-Nummer der SBB. Frustriert erklärt er sich erneut.
Der Wortlaut: «Eigentlich wollte ich am Mittwoch das Auto nehmen. Weil ich aber aufgrund von [...] starke und ermüdende Medikamente einnehmen muss, darf ich derzeit nicht fahren. So entschieden wir uns kurzfristig für den Zug.»
Tim argumentiert weiter: «Mit dem ÖV bin ich hauptsächlich in Bern unterwegs und besitze ein Stadt-Abo. Ich bin es mich also nicht gewohnt, ein Billett lösen zu müssen. Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn die SBB bei dieser Busse etwas Kulanz zeigen könnte.»
Der Anruf lohnt sich. «Ich sehe, dass sie sonst noch nie ohne Billett in eine Kontrolle geraten sind. Machen wir 60 Franken statt 100 Franken. Das ist der Maximal-Rabatt, den ich ihnen geben kann», heisst es am anderen Ende der Leitung.
Gibts jetzt also Bussen-Rabatt?
Das ist das wichtigste Bussen-Rabatt-Argument für die SBB
Die SBB teilt auf Nau.ch-Nachfrage mit, dass die Tarifbestimmungen der Branche bindend seien. Kulanzfälle lägen aber im Verantwortungsbereich der einzelnen Transportunternehmen.
«Kann eine Person keinen gültigen Fahrausweis vorweisen, wird dies vor Ort durch das Kontrollpersonal erfasst. Nachgelagert ist eine vertiefte Abklärung der Einzelfälle möglich. Dabei wird unter anderem geprüft, ob ein Fahrgast zum ersten Mal einen Zuschlag erhalten hat», so Sprecherin Sabrina Schellenberg.
Es gebe viele Fälle abzuklären: «Die SBB erreichen täglich zahlreiche Kundenanfragen im Zusammenhang mit Reisen ohne oder mit teilgültigem Fahrausweis.»
Fast jeder der Vorfälle sei anders gelagert. «Die SBB prüft jeden Einzelfall individuell. Die Gleichbehandlung aller Reisenden ist eine zentrale Rahmenbedingung.»
Fast eine Million Schwarzfahrer in der Schweiz
Die für die Tarife zuständige Alliance Swisspass informierte letzten Mai über den Umgang mit elektronischen Billetten. Darin hiess es auch, dass immer mehr Menschen schwarzfahren.
Im Jahr 2023 wurden fast eine Million (918'643) Passagiere ohne gültigen Fahrausweis erwischt. Damit entgingen dem öffentlichen Verkehr insgesamt rund 200 Millionen Franken.
Auffällig sei auch, dass es immer mehr Wiederholungstäter gebe. Fast die Hälfte (46 Prozent) der erfassten Personen fuhren mindestens drei Mal innerhalb von zwei Jahren ohne Billett. Nau.ch berichtete zuletzt auch über 64-jährigen Berner, der gar 50 Mal in einem Jahr erwischt wurde ...
Tim war das erste Mal – und mit glaubwürdiger Erklärung – ohne Fahrausweis unterwegs. Gut möglich, dass er das nächste Mal aber nicht mehr auf Kulanz hoffen darf.
*Name von der Redaktion geändert