SBB-Passarelle in Liestal sorgt für neuen Zoff
Die fehlende Beleuchtung ist nur die Spitze des Eisberges. Das Mega-Bauprojekt der SBB erhöhe statt der Lebensqualität nur das Unfallrisiko, sagen Anwohner.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SBB baut in Liestal ein viertes Gleis, um die S3 im 15-Minuten-Takt fahren zu lassen.
- Der Bahnübergang Schwieri fällt dem Projekt ebenfalls zum Opfer.
- Die Bewohner des Quartiers verlangen von der SBB einen gleichwertigen Ersatz.
In Liestal BL hängt der Haussegen schief. Oder besser gesagt: der SBB-Segen! Weil diese die Strecke zwischen Olten und Basel von drei auf vier Geleisen ausbaut, hat es in Liestal momentan eine riesige Baustelle.
Der Bahnübergang, welcher das Städtchen mit dem Schwieri-Quartier und dem dahinter liegenden Oristal verbindet, soll geschlossen werden. Die Baustelle sorgt für rote Köpfe bei den Anwohnern, wie «20 Minuten» kürzlich schrieb.
Wer keine Treppen steigen kann, muss warten
Streitpunkt ist einerseits die provisorische Passarelle, mit welcher die SBB die Bewohner des Schwieri-Quartiers bis 2021 über die Geleise lotsen will. Die steile Treppe war bislang nicht beleuchtet. Nach dem medialen Aufschrei hatte die SBB letzte Woche Lampen installiert. Doch das fehlende Licht ist nur die Spitze des Eisberges.
Denn dem Übergang fehlt ausserdem eine Rampe, er ist somit nicht passierbar für Kinderwagen, Rollstühle oder Senioren. Ein Problem für das Quartier, in dem viele Familien und ältere Menschen leben. Kurios: Nur einen Meter trennt das Provisorium von der alten Rampe.
Wer die steile Treppe nicht schafft, kann momentan noch am Bahnübergang warten. Weil die Strecke zwischen Olten und Basel aber stark befahren ist, muss man an der Barriere jeweils 15-30 Minuten warten.
«Unsere älteren Patienten kommen regelmässig über 30 Minuten zu spät», klagt eine Arztpraxis aus dem Quartier. Wie lange der Bahnübergang überhaupt noch offen bleibt, ist unbekannt.
«Wir fühlen uns im Stich gelassen von Gemeinde und SBB», meint eine Anwohnerin. Auch, weil die SBB nicht mehr auf Korrespondenz reagiert. Die Frau wartet seit dem 7. August auf die Antwort auf einen Brief, der Nau vorliegt. Sie machte damals bereits die SBB auf das Fehlen einer Rampe aufmerksam.
Endgültige Lösung gefährlich
Zweiter Streitpunkt ist die geplante Fussgängerbrücke als Bahnübergangsersatz. Die von der SBB umgebaute Zugangsstrasse zur Brücke wird neu eine Steigung von 16 Prozent aufweisen.
Die steile Strasse endet in einem 90 Grad Winkel und soll auf 6,5 Metern Platz für zwei Spuren, einen Velo- und einen Fussgängerstreifen bieten. Sie fungiert ausserdem als Schulweg zweier Schulhäuser und einem Kindergarten, sowie als einziger Zugang für Autofahrer aus dem Quartier.
Die Anwohner haben daraufhin Einspruch gegen das Projekt eingelegt. In ihren Augen stellt die geplante Fussgängerbrücke und die umgebaute Zugangsstrasse eine deutliche Verschlechterung der Situation dar. Für sie erhöht der Umbau statt der Lebensqualität nur das Unfallpotenzial.
Die SBB wollte davon aber nichts wissen. In ihrer Antwort schreibt sie, die Steigung sei zulässig und ausserdem Sache der Stadt, weil nicht mehr auf Bahnhofsgebiet. Wer die 16 Prozent nicht schaffe, solle halt den über 500 Meter langen, ebenerdigen Umweg über den Bahnhof nehmen. Die Strassenplanung sei von Fachexperten abgesegnet worden.
BAV schaltet sich ein
Inzwischen wurde die SBB aber vom Bundesamt für Verkehr (BAV) zurückgepfiffen. Es will zuerst eine Behinderten-konforme Variante inklusive Kostenvorschlag von der SBB sehen, bevor es die Einsprache behandelt. Die SBB muss dem BAV und den Anwohnern nun eine alternative Lösung präsentieren.
Die Anwohner hoffen auf einen Lift, eine Unterführung oder wenigstens eine weniger steile Strasse.