SBB und Co.: Schwarzfahrer gehen mit Anwalt auf ÖV-Betriebe los
Der Bund forderte, dass die Bussenregeln der ÖV-Branche gelockert werden. SBB und Co. fühlen sich hintergangen – die Forderung brockte reichlich Ärger ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Winter forderte der Bund eine Lockerung der Kontrollregeln von SBB und Co.
- Ein Ticket sollte auch gültig sein, wenn es erst nach dem Einsteigen gelöst wird.
- Die ÖV-Branche ist enttäuscht von der öffentlichen Konfrontation.
- Wegen der öffentlichen Rüge des Bundes kommen Schwarzfahrer mit dem Anwalt.
Du bist spät dran, rennst auf den Bus, schaffst es noch knapp und löst dir unter schwerem Schnaufen ein Ticket. Der Kontrolleur zeigt aber kein Erbarmen: Das Ticket müsse vor der Fahrt gelöst werden, so sind die Regeln. Dir wird eine Busse von 70 Franken zugeschickt.
Diese Regelung sei zu streng, findet der Bund. Im Dezember forderte das Bundesamt für Verkehr (BAV) öffentlich eine Lockerung der Kontrollregeln. Konkret: Die Fahrgäste sollten das Ticket auch nach dem Einsteigen lösen können.
Forderung hinterlässt «bleibende Schäden»
Das stösst innerhalb der Branche sauer auf: Pro Jahr verlieren die SBB, Alliance Swisspass und weitere nämlich rund 200 Millionen Franken, weil Passagiere kein Ticket kaufen. Entsprechend seien sie «enttäuscht» über die öffentliche Forderung des BAV. Das würde «bleibende Schäden» in der Zusammenarbeit hinterlassen.
Diese Aussagen stammen aus den Protokollen einer Arbeitsgruppe aus Vertretenden der Branche und des Bundes. Die Protokolle liegen «CH Media» vor. Die Arbeitsgruppe wurde ins Leben gerufen, um die Spannungen zu lösen und gemeinsame Lösungen und Kompromisse zu finden.
Das erste Treffen fand Mitte Januar statt, seither wurde rege diskutiert. Brisant: Zahlreiche Schwarzfahrer forderten eine Rückerstattung ihrer Bussen – teils sogar durch Anwälte!
Dass Passagiere ihre Bussen zurückfordern, sorgte in der Branche für Unruhe. Offenbar befürchten die ÖV-Betriebe, dass die losgetretene Debatte weitere Passagiere zu solchen Klagen animierten könnte.
Die Branche gewinnt die Diskussion schliesslich: Die Regel wird nicht angepasst. Doch am 11. April macht die Arbeitsgruppe Vorschläge, wie die Bussen minimiert werden können.
Dazu gehören zum Beispiel eine Informationskampagne im Wert von 20'000 Franken und eine Änderung in der SBB-App. Das Ticket soll ab dem Kauf gültig sein und unabhängig von der ausgewählten Verbindung.