SBB verkauft Tickets für 1. Klasse, die es gar nicht gibt
Verwirrung total bei Passagieren: In der App der SBB können auch für Bus- und Tram-Strecken teure 1.-Klasse-Tickets gelöst werden. Obwohl es die gar nicht gibt.
Das Wichtigste in Kürze
- In der SBB-App können auch für Bus- und Tram-Strecken 1.-Klasse-Tickets gekauft werden.
- Das sorgt bei Passagieren für Verwirrung.
- Im Bus und Tram gibt es keine 1. Klasse, trotzdem kosten die Tickets fast das Doppelte.
- Der Konsumentenschutz kritisiert die SBB und fordert Massnahmen.
- Der Fehler in der App entsteht auch, weil das Tarif-System in der Schweiz kompliziert ist.
Verwirrung total: Ein Pendler wendet sich auf X an die SBB. «Wieso kann ich in einem Bus ein 1.-Klasse-Ticket lösen?»
Als Beispiel nennt er eine Strecke in Biel BE.
Doch wer sich durch die SBB-App testet, dem wird schnell klar: Die imaginäre 1. Klasse kann in der ganzen Schweiz gelöst werden.
So etwa im Tram vom Zürcher HB an den Paradeplatz. Im St. Galler Bus von Bleicheli an den Bahnhof oder im Berner Postauto von Riggisberg nach Thurnen. (Bildstrecke unten)
Obwohl es ist den Trams und Bussen gar keine 1. Klasse gibt.
Was ist los?
Auf Anfrage von Nau.ch kommt aus: Das System hinkt.
Die SBB weiss, dass es Probleme gibt
«Die App ermöglicht den Kauf von 1. Klasse-Tickets, auch auf Strecken ohne 1. Klasse, weil das System nicht automatisch die Verfügbarkeit der Klassen auf spezifischen Strecken überprüft. Dies kann bei Nutzern zu Verwirrung führen», bestätigt die SBB.
Und will handeln: «Die SBB ist sich dieses Problems bewusst und arbeitet daran, das System zu verbessern, um solche Missverständnisse zu vermeiden. Einen genauen Zeitpunkt für die Korrektur können wir momentan nicht nennen.»
Kritik vom Konsumentenschutz – das ist jetzt zu tun
Die 1.-Klasse-Billets sorgen nicht nur bei Passagieren für Stirnrunzeln.
«Generell ist das Vorgehen der SBB leider nicht sehr konsumentenfreundlich», kritisiert der Konsumentenschutz. «Die Verwirrung ist verständlich.»
Das Problem sei, dass die App ein Streckenticket suggeriere, dieses in Wirklichkeit aber ein Zonenticket sei.
«Die App weiss nicht, ob man nun lediglich in der 2. Klasse Stadtbus gefahren ist oder auch einen innerstädtischen Halt mit dem Zug in der 1. Klasse unternommen hat.»
Wegen des «unwahrscheinlichen» letzten Falls gebe es eben auch Klassenwechsel zu kaufen.
Die App soll bei Passagieren nachfragen – und zwar schnell
Was ist zu tun?
Als kurzfristige Lösung schlägt der Konsumentenschutz vor, dass beim Lösen eines 1.-Klasse-Billets innerhalb einer Stadtzone nochmals beim Reisenden nachgefragt wird, ob er das tatsächlich wollte. «Dies sollte einfach umsetzbar sein.»
Mittelfristig sollte es die SBB schaffen, die vorhandenen Klassen in den Transportmitteln in der App automatisch anzuzeigen.
Komplizierte ÖV-Schweiz: 250 Transportunternehmen, 18 Tarifverbünde, zwei Tarifwelten!
Arbeiten sind im Gange. Die Alliance SwissPass, das Bundesamt für Verkehr und die SBB informierten im Sommer 2023 über das Projekt «GITA».
Darin wird festgehalten, dass das Tarifsystem für den Schweizer ÖV mit 250 Transportunternehmen und 18 Tarifverbünden komplex sei. Mit Zonen und Strecken existieren gar «zwei Tarifwelten».
SBB zahlt 1.-Klasse-Tickets für Bus und Tram zurück
Das Tarifsystem soll harmonisiert werden. Die ersten Schritte zur Umsetzung sind gemacht. Es braucht aber noch Geduld.
Immerhin: Wer sich ein imaginäres 1.-Klasse-Billet löst – und den Fehler bemerkt – kann sich bei der SBB melden. Und eine Rückerstattung verlangen.
Die Bahn-Betreiberin versichert: «Die SBB behandelt solche Fälle kulant.»