SBB: Vincent Ducrot ist ein Bähnler der alten Schule
Vincent Ducrot wird neuer Chef der SBB. Der Noch-Chef der Freiburger Bahnen kennt die Bundesbahn bestens.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Chef der Freiburger Verkehrsbetriebe, Vincent Ducrot, wird neuer SBB-CEO.
- Ducrot startete seine Karriere 1993 bei der SBB und empfahl sich mit seinem Resumé.
«Ich bin zu alt dafür», winkte der 57-jährige Vincent Ducrot im September gegenüber den «Freiburger Nachrichten» noch ab. «Man sollte aber niemals alles ausschliessen.» Kurz zuvor hatte Ducrot zusammen mit Verwaltungsratspräsident Georges Godel feierlich das neue Zentrum der Freiburgischen Verkehrsbetriebe (TPF) in Givisiez (FR) eröffnet.
Kein Odysseus
Godel hatte den Namen Vincent Ducrot bei der folgenden Eröffnungsrede ins Spiel um die Nachfolge von SBB-CEO Meyer gebracht. Er wand ihm bei der Gelegenheit auch gleich noch ein Kränzchen: Ducrot sei ein Visionär und die Kompetenz in Person, so der CVP-Parlamentarier. «Wir wünschen uns, dass Ducrot den TPF erhalten bleibt. Ich hoffe, er erliegt nicht den Sirenengesängen der SBB».
Doch niemand widersteht dem Gesang der Sirenen. Und weil Vincent Ducrot offenbar weder Wachs in den Ohren hatte, noch an einen Schiffsmast gekettet war, kündigte die SBB ihn heute Mittag als Nachfolger von Andreas Meyer an. Er übernimmt im April 2020, die TPF lässt ihren Direktor frühzeitig aus dem laufenden Vertrag aussteigen.
Einzelner Fleck auf weisser Weste
Der an der ETH studierte Elektroingenieur empfahl sich mit Vision und beeindruckendem Résumé für den Job. Von 1993 bis 2011 arbeitete er bereits für die SBB und machte unter Meyers Vorgänger Benedikt Weibel Karriere. Ab 1999 war er der Leiter des Bereichs Fernverkehr und setzte während der Expo.02 das Verkehrskonzept mit rund 1700 Extrazügen um.
Aus dieser Zeit datiert auch der einzige Klecks auf seiner ansonsten weissen Weste: So war er massgeblich an der Beschaffung der Doppelstockzüge von Bombardier beteiligt. Die später als Pannenzüge bekannten Züge waren die grösste Fahrzeugbestellung in der Geschichte der SBB.
Erfolgreiche Zeit in Freiburg
Im Sommer 2011 übernahm Ducrot schliesslich als Direktor bei den Freiburger Verkehrsbetrieben. Dort machte er sich schnell einen Namen als einer der anpackt und in die Zukunft schaut. Ducrot forcierte den Ausbau der digitalen Informationskanäle durch Echtzeit-Bildschirme, Whatsapp-Dienste oder das Online-Ticketingsystem Fairtiq.
Gleichzeitig machte er laufend Druck auf die Politik um bessere Rahmenbedingungen für Elektro- oder Wasserstoffbusse im öffentlichen Verkehr zu erreichen. Um die Wasserstoff-Technologie voranzutreiben, wurde dafür eigens eine Forschungszusammenarbeit mit der Ingenieursschule Freiburg initiiert.
Unter seiner Führung steigerten die TPF allein im letzten Jahr ihren Umsatz um elf Prozent auf 154,1 Millionen Franken. Der Gewinn wurde gar verdoppelt. Ducrot schuf bei der TPF 500 zusätzliche Stellen. Seit seinem Amtsantritt 2011 kletterten die Passagierzahlen der TPF von 25,7 Millionen auf rund 32,4 Millionen.
Den Höhepunkt seiner Zeit beim TPF markierte aber die anfangs erwähnte Eröffnung des neuen TPF-Zentrums in Givisiez vor ein paar Monaten. Das Zentrum vereint Unterhalt, Betrieb, Infrastruktur und Verwaltung von Zügen und Bussen an einem Standort - ein Novum in der Schweiz.
Kein Manager-Typ
Und jetzt übernimmt der Witwer und Vater von sechs Kindern also das Steuer der SBB. Die Personalie deutet auf einen überraschenden Kulturwandel bei der SBB hin: Der Vollblut-Bähnler der alten Schule hat wenig mit der klassischen «Manager-Art» von Meyer gemein, welche in Schweizer Führungspositionen heute so oft anzutreffen ist.
Trotz 20 Prozent weniger Lohn als sein Vorgänger wartet auf Ducrot viel Arbeit: Die SBB kämpft momentan an verschiedensten Fronten mit Problemen. Für eine der prominenteren Baustellen der SBB scheint er aber schon einmal der richtige Mann zu sein: Die Pünktlichkeit seiner Freiburger Verkehrsmittel betrug letztes Jahr knapp 96 Prozent.