«Schmerzen»: Studis klagen über Handschrift-Prüfungen – Unis kontern
Schweizer Unis setzen bei Prüfungen häufig noch auf Papier – auch wegen der KI-Gefahr. Bei manchen Studis sorgt das für Frust. Eine Expertin ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Studis klagen über Schmerzen bei Prüfungen, wenn sie von Hand schreiben müssen.
- Die Unis beharren auf handschriftlichen Prüfungen – trotz Kritik von Studierenden.
- Eine Expertin empfiehlt die Handschrift für eine bessere Wissensverarbeitung.
Derzeit herrscht an Schweizer Unis Hochbetrieb. Die Prüfungsphase läuft!
Doch nicht nur der Stoff macht den Studis zu schaffen, sondern auch das Format. Vielerorts müssen die Studierenden nämlich von Hand schreiben – auch bei längeren Antworten. Manche klagen deshalb bei Nau.ch über «Schmerzen».
«Bereits nach zehn Minuten hatte ich einen Krampf», sagt die Berner Studentin Melanie K.* (23)
Robert L.* (24) sagt: «Seit der Matur habe ich nicht mehr so lange etwas von Hand geschrieben. Ich wünsche mir die Online-Prüfungen aus der Corona-Zeit zurück.»
Doch die Hochschulen wollen davon nichts wissen.
Unis setzen handschriftliches Arbeiten voraus
Die Universität Bern sagt auf Anfrage von Nau.ch: «Grundsätzlich unterliegt die Art der Leistungskontrolle an der Universität Bern der Lehrfreiheit. Das heisst, die Dozierenden können die Form der Leistungskontrolle selber bestimmen.»
Die handschriftliche Prüfung sei dabei gleichberechtigt neben anderen Prüfungsformen. «Angesichts der digitalen Möglichkeiten entscheiden sich Dozierende oftmals für handschriftliche Prüfungen, da sie einfacher zu erstellen und zu beaufsichtigen sind.»
Und die Uni Bern ergänzt: «Zudem ist handschriftliches Arbeiten eine Kulturtechnik, deren Beherrschung an einer Universität von Studierenden vorausgesetzt wird.»
Will heissen: Wer studieren will, muss auch lange von Hand schreiben können.
Prüfungsformat vom Fach abhängig
Die Universität Zürich verweist auf unterschiedliche Präferenzen der Studis. «Es gibt Studierende, für die eine handschriftlich zu absolvierende Prüfung unangenehmem ist. Während andere nicht so gerne unter Zeitdruck an einem elektronischen Endgerät Aufgaben machen.»
Zudem sei die Wahl des Formats auch vom Modul abhängig.
Werden schematische Darstellungen oder Grafiken verlangt, sind handschriftliche Prüfungen besser geeignet. «Sind in einer schriftlichen Prüfung längere zusammenhängende Texte zu verfassen, eignet sich der Einsatz elektronischer Medien womöglich besser.»
Allerdings haben Prüfungen auf Papier einen entscheidenden Vorteil. «In Papierprüfungen ist es einfacher, den Einfluss Künstlicher Intelligenz auf das Prüfungsergebnis zu kontrollieren», so die Universität Zürich.
Eine Expertin auf dem Gebiet rät Unis, an Prüfungen auf Papier festzuhalten. Und das aus gutem Grund.
Handschriften-Coach Susanne Dorendorff sagt zu Nau.ch: «Da bei Prüfungen immanentes Wissen schnellstmöglich verschriftet werden muss und der Prüfling hochkonzentriert arbeitet, ist Handschrift optimal.»
Sie verweist auf Studien aus der Neurowissenschaft, wonach wir Informationen besser verarbeiten, wenn wir sie handschriftlich notieren. «Auch die erwünschte Synapsenschaltung reagiert auf Handgeschriebenes wesentlich präziser als auf ‹Getipptes›.»
Wer am Computer tippt, muss zweimal nachdenken
Dordendorff erklärt: «Wer die Tastatur nutzt, denkt in Einzelbuchstaben. Man muss zwangsläufig jeden Buchstaben einzeln abrufen – und das gleich zweimal: erst aus dem Gehirn, dann auf der Tastatur.»
Einen Bezug zum ganzen Wort erwerbe man an der Tastatur also niemals, sagt die Expertin. Diesen gebe es nur beim Handschreiben.
Sie betont: «Dass unsere Studenten nicht leserlich schreiben können und dabei noch unerträgliche Schmerzen empfinden, ist nicht ihre Schuld. Die Basics Lesen, Schreiben und Rechtschreiben werden in der Grundschule nicht mehr praxisnah vermittelt.»
Dordendorff ist überzeugt: «Jeder Mensch kann eine leserliche Handschreib-Technik entwickeln, wenn er sinnstiftend herangeführt wird.» Einmal antrainiert, falle einem das Schreiben von Hand nicht mehr schwer.
Um einem Krampf vorzubeugen, sei zudem eine entspannende Finger-Stift-Position entscheidend. Doch: «Mir ist bewusst, dass kein Student sich über Nacht eine andere Handhaltung antrainieren kann.»
Expertin rät: Mehr als einen Stift an Prüfung mitnehmen
Deshalb hat der Handschriften-Coach zwei andere Tipps auf Lager: Erstens rät sie zu gefüllten Tintenroller statt Füller oder Kugelschreiber. Zweitens sollte man immer mehr als einen Stift zur Prüfung mitnehmen.
Der Grund? «Weil der Stiftschaft nach längerem Schreiben von der Hand erwärmt und durch die Finger-Schweissbildung rutschig wird. Dann ist es erholsam, einen kühlen Stift greifen zu können – wirkt Wunder.»
Der Verband der Schweizer Studierendschaften (VSS) hat übrigens keine Position zu Prüfungen von Hand.
Wenn Studierende Probleme damit haben, sollen sie sich bei über barrierefreie Prüfungsregelungen und individuelle Unterstützungsmassnahmen informieren, rät der Verband.
* Namen von der Redaktion geändert