Schweizer Armee: Schwuler Soldat erhält wegen Uniform-Foto Drohungen
Es ist «schwieriger als für Heteros»: Ein junger Luzerner erzählt, wie es ist, als schwuler Mann Militärdienst in der Schweizer Armee zu leisten.
Das Wichtigste in Kürze
- Wegen seiner Sexualität glauben viele nicht, dass Cyrill Carter den Militärdienst schafft.
- Der schwule Luzerner zieht es durch – und packt nun bei Nau.ch über seine Erfahrungen aus.
- In der Armee musste er sich viele homophobe Sprüche anhören. Er erlebte aber auch Schönes.
Die Rekrutenschule ist für viele keine einfache Zeit. Erst recht nicht für Frauen, Homosexuelle oder trans Menschen. Das weiss auch Cyrill Carter, als er sich fürs Militär anmeldet.
Trotzdem entscheidet sich der schwule Luzerner ganz bewusst dafür. «Viele glaubten, dass ich es wegen meiner Sexualität nicht durchziehen würde», sagt er zu Nau.ch.
Es habe gar Leute gegeben, die Wetten darüber abschlossen, ob er es schaffen würde oder nicht. Noch heute hört er ab und zu: «Was, du und Militär? Das glaube ich nicht.»
Dann zeigt Carter ihnen ein Foto von sich in Militäruniform. Er hat es nämlich durchgezogen. «Ich wollte es vor allem mir selbst beweisen.»
Fundi-Rekrut droht mit Hölle
Einfach war es aber tatsächlich nicht – immer wieder sah sich der junge Mann Sprüchen, Beleidigungen und abwertenden Blicken ausgesetzt.
Schon zu Beginn seiner RS hat er eine besonders negative Begegnung: «Ein sehr gläubiger Christ sagte mir, Schwulsein sei vergleichbar damit, ein Mörder oder Vergewaltiger zu sein. Er meinte, das sei alles gleich schlimm.»
Dann habe er ihm gesagt, wenn er seine Homosexualität auslebe, komme er in die Hölle.
Sogar Vorgesetzte machen homophobe Sprüche
Carter erinnert sich auch an Kommentare wie «was für eine Schwuchtel» oder «lass neben dem die Seife nicht fallen». Bei Gruppenarbeiten sei er immer als letzter gewählt worden. «Es fühlte sich an wie eine zweite Schulzeit.»
Er will sich aber nicht als Opfer darstellen, betont er – er persönlich könne damit umgehen. «Aus meiner Kindheit und Jugend habe ich einen dicken Panzer. Mein Übername war in der Schulzeit jahrelang ‹die Schwuchtel von Buttisholz›», erinnert sich Carter.
In vielen Fällen habe er sich gewehrt, um zu zeigen, dass er sich das nicht bieten lässt. Einige hat er auch gemeldet.
Nur: «Gewisse Wachtmeister reagierten nicht bei homophoben Äusserungen, gewisse machten sie sogar selbst.» Zwei Personen in höheren Positionen hätten sich so daneben aufgeführt, dass er auch die meldete.
Seinem Leutnant und einer Wachtmeisterin seines Zuges habe er aber vertrauen können. «Wenn sie dabei waren, kam nie ein falsches Wort.»
Sein Fazit: «Das Militär zu absolvieren, ist für schwule Männer schwieriger als für Heteros. Vor allem, wenn man offensichtlich schwul ist und eher feminin.»
Man müsse sich bei allem mehr beweisen. Und gerade in der RS sei man mit vielen unreifen jungen Menschen konfrontiert.
Schweizer Armee will Sprüche bekämpfen
Auf Anfrage erklärt Sprecher Mathias Volken, dass die Schweizer Armee keine Diskriminierung und sexualisierte Gewalt toleriert. Er betont: «Die Armeeführung will kein Klima, in dem sexistische Sprüche oder diskriminierende Witze als ‹nicht tragisch› angesehen werden.»
Verstösse haben Konsequenzen. Sie werden entweder disziplinarrechtlich oder militärstrafrechtlich beurteilt.
Das gilt laut Volken auch für Personen in Führungspositionen. «Behandelt ein Vorgesetzter eine Meldung nicht, kann sie an die nächsthöhere Stufe weitergeleitet werden.»
Die Armee will Diskriminierung aber schon mit Prävention bekämpfen. Erst kürzlich hat sie einen Massnahmenplan vorgestellt.
Viele fühlen sich von homosexueller Person in Uniform «angegriffen»
Dass Cyrill Carter als homosexueller Soldat anders behandelt wird, macht sich auch jetzt noch bemerkbar. Der junge Mann ist als Influencer auf Tiktok und Instagram unter dem Usernamen Cyrill Cc aktiv.
Dort ist eine Hasswelle auf ihn eingeprasselt, als er Fotos von sich in Militärkleidung geteilt hat: «Du bist eine Schande für die Armee», hat ihm zum Beispiel jemand geschrieben. Oder er sei «grausig». Sogar Drohungen waren darunter.
«Es hat mich enorm überrascht, dass sich so viele von einer homosexuellen Person in Uniform angegriffen fühlen», sagt er. «Ein bisschen Hate erwarte ich immer, aus reinem Selbstschutz. Mit so viel hätte ich aber nie gerechnet.»
Soldat wünscht sich mehr queere Menschen im Militär
Trotz all der Zwischenfälle – Carter zieht ein gemischtes Fazit zu seiner RS-Zeit. «Auch wenn ich Homophobie erlebte, traf ich genauso viele Personen, die fair waren. Es war nicht alles schlecht!»
Seine Zeit als Durchdiener-Soldat sei sogar richtig schön gewesen – er habe viel gelernt. «Dort war ich mit reifen, erwachsenen Personen zusammen.»
Darum sagt er: «Ich empfehle allen queeren Personen, das Militär zu machen, wenn sie das wollen. Nur so können wir ein Zeichen setzen, was ändern und uns beweisen.»