Schweizer Parlamentarier zu Wahlannullierung in Istanbul
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bürgermeisterwahl in Istanbul wurde für ungültig erklärt.
- Nationalrätin Sibel Arslan sieht einen Vertrauensverlust in die türkische Demokratie.
- Nationalrat Roland Rino Büchel sieht die Gefahr von Unruhen.
Gestern Montag verkündete ein AKP-Vertreter die Nachricht. Die Bürgermeisterwahl in Istanbul, bei der die Regierungspartei AKP verloren hatte, wird annulliert. Gewonnen hatte ursprünglich Ekrem Imamoglu – mit knappen 14'000 Stimmen. Imamoglu ist Mitglied der oppositionellen sozialdemokratischen CHP.
Begründet wurde die Annullierung mit Unregelmässigkeiten bei der Wahl vom 31. März. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan, begrüsste den Entscheid.
Anders klingt es bei den Mitgliedern der Aussenpolitischen Kommission des Schweizer Nationalrats.
Sibel Arslan von der Grünen Fraktion: «Es ist eine klar politische Entscheidung». Die Nationalrätin war überrascht von der Nachricht. Die AKP disqualifiziere sich damit selbst. «Es rückt das Demokratieverständnis der Partei in ein schlechtes Licht», sagt Arslan.
AKP kann nicht mit Niederlagen umgehen
Sie stellt die Rechtmässigkeit in Frage. Bis zur annullierten Wahl stellte die islamisch-konservative AKP 25 Jahre lang den Bürgermeister. Es zeigt sich, so Arslan, wie die Partei mit Niederlagen umgehen kann – oder eben nicht.
Laut der Nationalrätin aus Basel verlieren so die Menschen das Vertrauen in die türkische Demokratie. Sie ist besorgt, dass der Entscheid zum Regelfall wird und immer, wenn die Wahlen nicht zugunsten der Regierung laufen, annulliert werden.
Zudem sieht Arslan die Gefahr der Eskalation. Aber: «Schriftsteller und Künstler haben sich nun wieder zu Wort gemeldet, was eine Dynamik in die Diskussion gibt», sagt Arslan. Die Frage sei aber: Für wie lange?
Ähnlich klingt es bei Roland Rino Büchel von der SVP. Er ist nicht überrascht. «Es ist nichts Neues, dass Erdogan und seine Leute die Regeln der Demokratie zu ihrem Vorteil auszulegen versuchen», sagt der Nationalrat. Aber auch andere Parteien würden dies tun.
Hoffnung auf faire Neuwahlen
Auch Büchel sieht die Gefahr der Unruhen. Somit hofft er auf faire Neuwahlen, die von der unterlegenen Seite dann anerkannt werden. Für ihn ist klar, dass gerade die Metropole Istanbul eine enorme Wichtigkeit hat.
Erdogan wie auch die Opposition wisse dies. Aber: «Dass sich Erdogan von einer Niederlage beeinflussen lassen wird, glaube ich nicht», sagt Büchel. Erdogans Aufstieg zum Präsidenten der Türkei begann in Istanbul. 1994 wurde er in der Millionenstadt zum Bürgermeister gewählt.
Am 23. Juni finden die Wiederholungswahlen statt – Mitten in den Ferien.
In Istanbul kam es nach dem Entscheid der Wahlkommission zu Protesten. Mit Schlägen auf Töpfe taten sie ihrem Unmut kund. Dabei handelt es sich um eine Anlehnung um die Gezi-Proteste von 2013.
Für die oppositionellen Kräfte ist nun klar: Sie stellen sich alle hinter Imamoglu. Selbst einige AKP-Mitglieder sollen sich entschieden haben, nun für den CHP-Kandidaten zu stimmen.