Schweizerin gibt in ganzen Italien-Ferien kein Trinkgeld
Eine Schweizerin will in Italien das Trinkgeld mit der Karte zahlen. Das geht allerdings in vielen Restaurants nicht – es gibt mehrere Gründe dafür.
Das Wichtigste in Kürze
- «Nur Bares ist Wahres», sagen sich viele italienische Beizen, wenn es ums Trinkgeld geht.
- Gründe dafür gibt es mehrere: Technik und finanzielle Abgaben spielen eine wichtige Rolle.
- In der Schweiz ist das Karten-Trinkgeld dagegen weit verbreitet.
Pizza, Pasta, Tiramisu: Julia B.* (39) gönnt sich kürzlich Ferien in Italien. Sie fliegt erst nach Rom und danach zum Sünnele nach Sizilien. Nebst Sightseeing ihr wichtigstes Ziel: «Fein essen und gut trinken.»
Dafür packt die Zürcherin das grosse Portemonnaie ein. «Ein feines Znacht darf auch mal 100 Euro kosten», sagt sie.
Doch vor Ort staunt sie. «Ich wollte jeweils auch ein gutes Trinkgeld geben. Doch das wurde stets abgelehnt.»
Der Grund: «Mit Karte könnten sie kein Trinkgeld annehmen, sagten mir die Kellner.» Bargeld hat die Zürcherin aber nie dabei. «Man kann in Italien sogar zwei Euro im Quartierlädeli mit der Karte bezahlen. Darum habe ich ganz auf Cash verzichtet.»
Die Folge daraus: «Ich habe in meiner ganzen Ferienwoche nie Trinkgeld gegeben.» Julia betont, sie trage auch zu Hause in der Schweiz keinen Rappen Bargeld auf sich. «Ich konnte mir das einfach nicht wieder angewöhnen.»
Trinkgeld teilweise schon im Preis inbegriffen
Reiseveranstalter, die auf Italien spezialisiert sind, bestätigen gegenüber Nau.ch, dass es diese Schwierigkeit beim Trinkgeld – oder bei der «Mancia», wie der Italiener sagen würde – gibt.
Sarah Weidmann aus der Geschäftsleitung von Smeraldo Tours sagt: «Es ist uns bekannt, dass das Bezahlen von Trinkgeld mit der Karte in Italien oft nicht möglich ist.» In grösseren Städten oder touristischen Gebieten sei das noch eher möglich. Gerade in kleineren Orten oder traditionellen Lokalen werde meist nur Bargeld als Trinkgeld angenommen.
Die Reiseberaterin Antonietta Alvino von Italtours sagt: «Es ist schon möglich, das Trinkgeld via Kreditkarte zu bezahlen, sofern das Restaurant das akzeptiert. Aber grösstenteils wird es nicht gemacht.»
Immerhin: Teilweise sei der Service sowieso bereits in der Rechnung inbegriffen, sagt Alvino. Wenn ein sogenannter «Coperto» oder ein «Service» verrechnet wird, kann man guten Gewissens auf das Trinkgeld verzichten.
Grundsätzlich wird laut Alvino in Italien der Rechnungsbetrag oft einfach aufgerundet, um Trinkgeld zu geben. Fünf bis zehn Prozent sind demnach ein möglicher Richtwert.
Kellner haben lieber Bargeld
Aber warum nehmen die Restaurants oft nur Trinkgeld in bar an? Das hat mehrere Gründe.
Einerseits gibt es laut Weidmann von Smeraldo Tours ganz praktische Herausforderungen: «Oftmals haben kleinere Betriebe nicht die technischen Möglichkeiten, Trinkgeld auf die Kreditkarte zu buchen.»
Andererseits hätten viele Angestellte lieber Bargeld als Trinkgeld. Denn dieses erhalte man «direkt und ohne Abzüge durch Gebühren, unter anderem auch Steuern».
Ähnlich sieht es auch Alvino von Italtours: «Das Hinterlassen eines Trinkgeldes via Kreditkarte erfordert eine Reihe von Steuer- und Bankvorgängen.» Letztlich gebe es so keine Gewissheit, dass das Geld tatsächlich beim Arbeitnehmer ankomme.
Sowohl Weidmann als auch Alvino empfehlen ihren Kunden in jedem Fall, immer etwas Bargeld dabeizuhaben.
Denn das Bargeld könne nicht nur als Trinkgeld dienen, sagt Weidmann. Es sei auch bei sonstigen kleineren Einkäufen hilfreich, die man nicht per Karte bezahlen könne. Übrigens nicht nur in Italien, wie die Spezialistin betont: «Diese Empfehlung gilt für alle Länder weltweit.»
In der Schweiz ist Karten-Trinkgeld «weit verbreitet»
Etwas anders sieht die Situation in der Schweiz aus, wie der Verband Gastrosuisse gegenüber Nau.ch erklärt. Mediensprecher Patrik Hasler-Olbrych sagt zunächst, dass der Service hierzulande seit 1974 eigentlich bereits im Preis inbegriffen sei. Das freiwillige Trinkgeld, das darüber hinausgeht, nennt man Overtip.
Und dieses könne oft problemlos ohne Bargeld bezahlt werden, wie Hasler-Olbrych ausführt: «Die Möglichkeit, Overtips direkt mit der Konsumation per Karte zu bezahlen, ist in der Schweiz weit verbreitet und wird auch rege genutzt.»
Solche Overtips sind offiziell nicht Teil des Lohns. Wie die freiwilligen Trinkgelder konkret aufgeteilt werden, kommt laut Gastrosuisse auf das Unternehmen an. «Allgemein gültige Regelungen gibt es nicht; die betriebliche Praxis ist unterschiedlich», sagt Hasler-Olbrych.
Allerdings sorgt das digital bezahlte Trinkgeld in der Schweiz ebenfalls für Herausforderungen. Der Betrieb «Familie Wiesner Gastronomie» (Nooch, Negishi, Miss Miu) deklariert die Trinkgelder neu im Lohnausweis. Dies, wenn sie mehr als zehn Prozent des Lohns ausmachen. Bei den Angestellten sorgte dies für Unverständnis.
*Name geändert