So konnte ein Schweizer Start-Up den QAnon-Gründer identifizieren

Carine Meier
Carine Meier

Vevey,

Das Westschweizer Start-Up OrphAnalytics konnte den Gründer der QAnon-Verschwörerbewegung identifizieren. Wie, das erklärt CEO Claude-Alain Roten im Interview.

QAnon
Der Amerikaner Ronald Watkins soll hinter Q stecken. - Screenshot HBO

Das Wichtigste in Kürze

  • Die zwei Personen, die unter dem Pseudonym «Q» die Bewegung QAnon gründeten, sind bekannt.
  • An der Identifizierung war auch das Westschweizer Start-Up OrphAnalytics beteiligt.
  • Wie die Textanalyse genau funktioniert, erklärt CEO Claude-Alain Roten im Interview.

Bei der Sprache hat jeder Mensch seine Eigenheiten, auch schriftlich. Das heisst, dass es theoretisch möglich ist, sogar kurze Texte dank einer Analyse der Sprachgewohnheiten einer bestimmten Person zuzuordnen.

Stilometrie nennt sich das und genau damit beschäftigt sich das Westschweizer Start-up OrphAnalytics. Die Gruppe um CEO Claude-Alain Roten hat in den letzten Tagen in den US-Medien grosse Bekanntheit erlangt. Der Grund: Mit ihren Algorithmen konnte sie den Gründer der Verschwörer-Bewegung QAnon ausfindig machen.

Es geht um den Amerikaner Ronald «Ron» Watkins.

Schon 2020 erstmals Texte von «Q» analysiert

Mit dem Schreibstil des QAnon-Gründers beschäftigte sich Roten bereits 2020. «Während den Präsidentschaftswahlen haben wir uns entschieden, ohne jegliche Finanzierung eine kurze Analyse von «Q»s Texten zu machen», erklärt er. Dies geschah einerseits aus persönlicher Überzeugung, andererseits wollte man sich in den USA einen Namen machen, erklärt Roten gegenüber Nau.ch.

Claude-Alain Roten
Claude-Alain Roten, Gründer und CEO des Start-Up OrphAnalytics. - Philippe Krauer, http://krauer-photographe.ch/

Dabei zeigte die Computeranalyse Überraschendes: Die von «Q» unterschriebenen Texte in den Internetforen 4chan und 8kun hatten mehrere Autoren. «Dafür haben sich US-Medien damals schon sehr interessiert», erzählt der Start-Up-Gründer. «Und es diente natürlich auch dazu, den Mythos um ‹Q› zu brechen.»

Daraufhin erhielt OrphAnalytics Anfragen, ob man diese Recherche nicht noch weiterführen könnte. «Wir sagten ihnen: Wenn ihr uns die Texte liefert, machen wir die Analyse», so Roten. Denn: Um eine Person anhand ihres Schreibstils zu identifizieren, benötigen die Forscher Textbeispiele möglicher Autoren.

QAnon Fahne
Eine QAnon-Fahne weht im Wind. - AFP

Glücklicherweise hatten amerikanische Journalisten bereits 2018 sechs Personen ermittelt, die im Zentrum von QAnon stehen könnten. Darunter auch der amerikanische Verschwörungsideologe Ron Watkins, sowie Softwareentwickler Paul Furber. Der Algorithmus von OrphAnalytics bestätigte schliesslich mit 93-prozentiger Sicherheit, dass zunächst Furber und später Watkins unter dem Pseudonym «Q» schrieben.

Weiter bestätigt hat dies die Recherche einer Gruppe von französischen Forschern. «Wir hatten sie für dieses Projekt kontaktiert. Sie konnten eine unabhängige Gegenbestätigung liefern», erzählt Roten. Das habe auch OrphAnalytics mehr Glaubwürdigkeit verliehen.

Ursprünge in Genforschung

Woher kommt aber dieser Computer-Algorithmus, der vor QAnon bereits in jahrzehntealten Mordfällen, bei Betrug und Plagiatsvorwürfen Beweise liefern konnte? «Ich bin ursprünglich Mikrobiologe», so Roten. «Im Jahr 1995 kam ich an der Universität Lausanne erstmals mit Algorithmen zur Analyse von Gen-Sequenzen in Berührung.»

Dabei sei ihm aufgefallen, dass sich mit diesen jegliche Art von Sequenzen, auch von Buchstaben in einem Text, identifizieren liessen.

«Unser Programm teilt Texte in Folgen zu je drei Buchstaben ein», erklärt der Forscher. «Dann gleicht es diese mit anderen Textbeispielen ab. Das funktioniert in wohl fast jeder Sprache, wir hatten etwa auch schon mit koreanischen Texten zu tun.»

QAnon
So sehen dann die Resultate von OrphAnalytics Recherche aus. Rot sind die Texte von Ron Watkins. - OrphAnalytics

Derzeit findet die Vereinigung von Statistik, Mathematik und Sprachwissenschaft vor allem bei strafrechtlichen Ermittlungen eine Anwendung. «Wir sind die Besten, wenn es um kurze Texte geht, also etwa bei Drohbriefen, oder etwa Belästigung im Internet», so Roten. «Ich möchte vor allem auch aufzeigen, was wir schon nur mit wenigen Sätzen machen können.»

In einer Zeit, in der Drohungen und Hass im Internet oft schwer nachzuverfolgen sind, liefert OrphAnalytics also einen neuen Ansatz. Und nachdem die QAnon-Geschichte ihm zu mehr Bekanntheit verholfen hat, hat Roten nun auch schon zahlreiche neue Projekte. Welches Geheimnis er als Nächstes aufdecken möchte, will er aber noch nicht verraten.

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