Sollen sich Schweizer Schulen vor Amok schützen?

Am Montag beginnt auch in den letzten Kantonen das neue Schuljahr. Das Thema Amok ist dabei an vielen Schulen präsent. Zu Recht?

Schule
Lehrer sollen Schulkinder auch während den Schulferien betreuen dürfen. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach Bern oder Basel beginnt am Montag auch in Zürich oder Luzern das neue Schuljahr.
  • Viele Schulen hierzulande rüsten sich mit Alarmsystemen gegen Amokläufe.
  • Jugendpsychologe Allan Guggenbühl hält davon sehr wenig.

Die jüngsten Amokläufe in USA rütteln auch in der Schweiz auf. Zwar betonen Sicherheitspolitiker, wir würden trotz unserem liberalen Waffengesetz viel sicherer leben. Doch der Blick hinter die Kulissen zeigt Verunsicherung.

Schulen, welche gerade in Amerika vermehrt Ziel von schrecklichen Schiess-Dramas werden, rüsten sich auch hierzulande. Wie ein Krisenexperte beobachtet, bauen Schweizer Schulen vermehrt sogenannte Amokschlösser und führen alarmierende Apps ein.

Jugendpsychologe Allan Guggenbühl.
Der Zürcher Jugendpsychologe Allan Guggenbühl. - zVg

Auch Jugendpsychologe Allan Guggenbühl beobachtet die Situation. Er ist Leiter des Zürcher Instituts für Konfliktmanagement und unterstützt Schulen im Umgang mit Aggression und Gewalt.

Nau.ch: Was halten Sie davon, dass sich Schweizer Schulen mit technischen und digitalen Systemen gegen Amokläufe schützen?

Allan Guggenbühl: Massnahmen gegen Gewaltvorfälle sollten bei einer Risikoabwägung beginnen. Die Frage ist, welche Gefahren drohen. Hier sollte man sich nach Wahrscheinlichkeiten richten und Vorfälle studieren. Ist ein Vorfall jedoch zu unwahrscheinlich, dann müssen wir nicht handeln.

Nau.ch: Glauben Sie, Amokläufe sind in der Schweiz zu unwahrscheinlich?

Allan Guggenbühl: Dies ist das Problem der Amok-Präventionsmassnahmen. Sie gehen von einer Gefahr aus, die bei uns in der Schweiz sehr, sehr klein ist. Es ist wahrscheinlicher, dass Schüler von Bäumen erschlagen oder Lawinen begraben werden, als durch einen Amok getötet. Es gibt viele Gründe: Die Demographie, die fehlende Faszination für Waffen, unsere Schulkultur etc.

El Paso
Eine Frau und ein kleiner Junge gedenken den Opfern des Amoklaufs in El Paso. - EPA/LARRY W. SMITH

Doch: Gesetzt der Fall Amok ist eine Bedrohung, wie es bei uns nicht der Fall ist, dann kommt noch etwas Anderes hinzu. Wie man aus den USA und Japan (Erdbeben) weiss, sind solche Massnahmen nur sinnvoll, wenn man sie immer wieder übt.

Nau.ch: Wie oft?

Allan Guggenbühl: Mindestens alle drei bis vier Monate, und natürlich unangekündigt. Wenn das nicht gemacht wird, weiss ein Drittel der Leute nicht, um was es geht und ein weiterer Drittel verhält sich total falsch. Und dann gibt es solche, die richtig reagieren. Es ist jedoch unvorstellbar, dass man bei uns solche Übungen durchführt.

Nau.ch: Gibt es überhaupt realistische Massnahmen für den Ernstfall?

Allan Guggenbühl: Ich habe Schulen in South-Chicago besucht. Einer Gegend, wo es immer wieder Schiessereien gibt. Die Schulen schützen sich durch Metalldedektoren an den Eingängen, Polizei im Haus etc. Dies sind effektive Massnahmen, die Schulen müssen abgeriegelt werden. Man kommt nur durch ein bewachtes Tor ins Schulhaus.

Schüler-Kontrolle
In den USA werden teilweise Rucksäcke von Schülern durchsucht, um verbotene Gegenstände auszuschliessen. - Keystone

Nau.ch: Nochmals zurück zur Schweiz. Dient die Prävention nicht genau dazu, das Problem anzupacken, bevor es da ist? Menschenleben zu retten, auch wenn die Gefahr, wie Sie sagen, sehr sehr klein ist?

Allan Guggenbühl: Menschenleben werden kaum gerettet aufgrund der kleinen Wahrscheinlichkeit von Amokläufen hierzulande und der Tatsache, dass man die Massnahmen nicht regelmässig übt. Zudem könnte man alles, jede Präventionsmassnahme so begründen.

Migros Suva
Prävention ist hierzulande ein grosses Thema: Mit einem witzigen Video informieren neu Migros und Suva über Stolpergefahr. - Screenshot Suva

Dann müsste man Hunde verbieten, Autos abschaffen, Spaziergänge im Wald untersagen (Baumschläge), Treppensteigen regelmässig üben, den Leuten verbieten zu duschen etc. Dies sind alles Gefahren, die grösser sind als durch einen Amok getötet oder verletzt zu werden.

Nau.ch: Was empfehlen Sie den Schulen abschliessend, welche sich trotzdem schützen möchten?

Allan Guggenbühl: Schulen sollten sich auf die Konflikte vorbereiten, die effektiv vorkommen. Diese sind von Schule zu Schule anders, darum braucht es eine Konfliktdiagnose, bevor man etwas unternimmt. Durch diese kann man herausfinden, welche Gefahren in einer spezifischen Schule drohen.

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