Städter sehen das Land als «Freizeitpark»

Stephan Felder
Stephan Felder

Zürich,

Städter lieben das Land, die Landbevölkerung meidet die Stadt. Die Bevölkerungsgruppen leben in unterschiedlichen Welten – und haben eine verzerrte Wahrnehmung.

Stadt Land
Idylle auf dem Land, Geld in der Stadt? Vorurteile, welche eine Spaltung befeuern. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Städter romantisieren das Leben auf dem Land und sehen die Probleme nicht.
  • Die Landbevölkerung fühlt sich dagegen vernachlässigt und benachteiligt.
  • Der Stadt-Land-Graben ein Problem? Zwei Experten ordnen ein.

«Inszenierte Idylle». So bezeichnet der Politologe Lukas Haffert von der Universität Genf das Bild, das Städter vom Land haben.

Die Landbevölkerung fährt für die Arbeit, den Einkauf oder für Arztbesuche in die Stadt. Städter sehen das Land dagegen nur in ihrer Freizeit. «Für sie sind die ländlichen Gegenden ein Freizeitpark», so Haffert.

Städter sehen keinen Konflikt

So haben Städter eine idealisierte Version vom Leben auf dem Land. Sehen nur die schönen Dinge, den Spass. Und keine Konflikte.

«Befragt man die Bevölkerungsgruppen zum Stadt-Land-Konflikt, dann reden Städter von einem Missverständnis.»

Für die Landbevölkerung ist dagegen tatsächlich ein Graben da. «Die Gruppe, die sich benachteiligt fühlt, grenzt sich ab. Sie hält enger zusammen, um sich gegen die andere Seite zu positionieren», weiss Tabea Palmtag. Sie ist Politologin an der Universität Zürich.

Denn: Dass sich die Landbevölkerung gegenüber der Stadt vernachlässigt fühlt, das belegen diverse Studien.

«Menschen auf dem Land haben das Gefühl, dass die Politik weit entfernt von ihrer Lebensrealität ist. Dass die getroffenen Entscheidungen sie gegenüber der Stadtbevölkerung benachteiligen», erklärt Palmtag.

Deshalb grenzen sich Menschen auf dem Land ab. Es fallen Sätze, wie: «Studierte haben ja noch nie richtig gearbeitet!»

Mit solchen Aussagen sollen die positiven Merkmale vom Leben auf dem Land hervorgehoben werden: körperliches Arbeiten, Produzieren, Ernähren.

Das grosse Geld lockt in der Stadt

Ansehen geniessen in Realität aber andere Berufe: «Angesehene und vor allem gut bezahlte Jobs sind in modernen Wissensgesellschaften zunehmend an ein Studium gekoppelt», erklärt Palmtag.

Solche Jobs findet man praktisch ausschliesslich in der Stadt. Ein weiterer Punkt, der zum Gefühl der Vernachlässigung innerhalb der Landbevölkerung führt.

Wo wohnst du?

Städter haben also ein positives, idealisiertes Bild vom Leben auf dem Land. Die ländliche Bevölkerung dagegen fühlt sich benachteiligt, oft vergessen.

Die Spaltung ist da. Ein Problem? «Die Gesellschaft war noch nie nicht gespalten. Die Vorstellung einer homogenen Gesellschaft ist unrealistisch», sagt Haffert.

Die wichtigere Frage sei: Kann ein politisches System diese Spannung aushalten?

Haffert ist optimistisch: «Die Schweiz hat das politische System, um die Ungleichheiten auszugleichen. Die Institutionen sind nahe an der Bevölkerung.»

Kommt dazu: Die Zugehörigkeit zu Stadt oder Land ist keine feste Identität. Sie kann gewechselt werden, bei einem Umzug von der Stadt aufs Land oder umgekehrt.

Bei Spaltungen zum Beispiel bezüglich Konfession ist das weniger einfach – was auch den politischen Ausgleich schwieriger macht.

Wichtig: Gemeinsam darüber sprechen

«Problematisch ist nicht unbedingt, dass man unterschiedliche Meinungen hat», sagt Palmtag, «sondern wenn man nicht mehr darüber reden kann.»

Am Ende bestünden praktisch alle Länder aus Stadt- UND Landbevölkerung. «Es ist entscheidend, dass die Lebensrealitäten beider Seiten berücksichtigt werden.»

Dabei helfen könnte, dass die Landbevölkerung universitäres Wissen vermehrt anerkennt. Oder dass Städter das Landleben weniger als romantisierte Idylle betrachten.

Kommentare

User #3358 (nicht angemeldet)

Wenn man die Kommentare miteinander vergleicht, liegt die Studie gar nicht so falsch

User #2485 (nicht angemeldet)

Egal ob Städter oder Landei, originell sind immer noch diejenigen die auf dem ländlichen Land ein Einfamilienhaus mit grünem Garten bauen….damit ihre eigenen Kinder die grüne Natur erleben und darin aufwachsen können….aber kein einziger Baum steht in ihrem sehr grünen Garten.🙄😇

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