«Stereotypisierung»: SP-Nationalrätin kritisiert Postfinance-Plakat
Die SP-Nationalrätin Sarah Wyss ärgert sich über die «Stereotypisierung» in einer Postfinance-Werbung. Marketingprofis nehmen das Finanzinstitut in Schutz.
Das Wichtigste in Kürze
- SP-Nationalrätin Sarah Wyss kritisiert ein Postfinance-Werbeplakat.
- Das Finanzinstitut betont, dass die Kampagne schon zwei Jahre alt ist.
- Werbe-Experten können die Kritik nicht nachvollziehen.
«Finanzmärkte interessieren mich null», heisst es auf einem Plakat am Zürcher Hauptbahnhof. Auf dem Plakat ebenfalls abgebildet? Eine Frau, die sich vor dem Spiegel aufbrezelt.
Das gelbe Logo unten rechts verrät schnell, von wem die Kampagne stammt: von der Postfinance. «Ist doch ganz normal, Anlageentscheide ruhig delegieren», wirbt das Finanzinstitut weiter.
SP-Nationalrätin kritisiert «Stereotypisierung»
Die Werbung sorgt auf X (ehemals Twitter) für Gesprächsstoff. Denn der SP-Nationalrätin Sarah Wyss (35) stösst das Plakat sauer auf. Sie ärgert sich über die Auswahl des Bildes.
«Wann hört ihr eigentlich endlich auf mit solcher unnötigen Werbung?», richtet sie sich in ihrem Beitrag an die Postfinance. Ihr Vorwurf: «Stereotypisierung – Frauen = Schminke. In welchem Jahrhundert lebt ihr?»
Sie habe nach dem letzten Vorfall ihr Konto bei der Postfinance gekündigt. Doch hätte sie noch eines, würde sie es jetzt kündigen.
Der Social-Media-Post hat zwar über 170 «Gefällt mir»-Angaben. Doch ein Blick in die Kommentarspalte zeigt: Nicht alle können die Kritik von Sarah Wyss nachvollziehen.
So heisst es etwa: «Ich habe gerade heute eine Frau gesehen, welche sich im Bus geschminkt hat. Scheint es wohl immer noch ziemlich verbreitet zu geben … »
Die Basler Politikerin erklärt in einer weiteren Antwort schliesslich, was sie an der Werbung zudem stört. «Umgang erlernen ist für Männer wie Frauen wichtig! Absolut einig, aber der Aufruf von Postfinance war ja ‹delegieren – kümmere dich nicht drum›», so Wyss.
Trotzdem findet eine Person in den Kommentaren: «Als Nationalrätin gehört es sich nicht, die Leute dazu aufzufordern, ihr Konto bei der Postfinance zu kündigen. Gehts noch!»
Auf Anfrage von Nau.ch hat sich Sarah Wyss nicht weiter zu der Kritik geäussert.
Werbekampagne gibt es schon seit zwei Jahren
Bei der Postfinance steckt man die Kritik mit einem Lächeln weg. «Schön, dass unsere mittlerweile über zwei Jahre alte Werbekampagne bewegt», heisst es auf Anfrage.
Man habe bisher keine negativen Kundenreaktionen zu diesem Werbemittel erhalten. Das erwähnte Sujet sei eines von sechs aus der Gesamtkampagne.
Die besagte Kampagne wurde bereits im Jahr 2022 in Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Jung von Matt Limmat lanciert. Ihr Ziel? Den Vorurteilen und Unsicherheiten beim Thema Geld anlegen entgegenwirken. Dafür wurden verschiedene Charaktere dargestellt, wie auch der Werbespot dazu zeigt.
Werbeprofis halten Kritik für übertrieben
Marketingprofi Felix Murbach kann den Vorwurf der Stereotypisierung «Frau = Schminke» von SP-Nationalrätin Sarah Wyss nicht nachvollziehen. «Da die Frau in der Kampagne wohl eher depiliert, als sich schminkt.»
Er betont, dass die Zielgruppenansprache für die neuen Generationen komplexer geworden sei. Gerade die Generation Y stelle Muster auf den Kopf. Doch die Kampagne der Postfinance hält Murbach für gelungen. «Sie ist direkt, unverhohlen und spricht klar die Sichtweisen, Prioritäten und Lebensentwürfe der Generation Y an.»
Die Kampagne zeige sehr gut einen breiten Mix an unterschiedlichsten Charakteren in unserer Gesellschaft. «Dass man heute jedoch rasch mit Stereotypen und Klischees oder Rollenbildern argumentiert und so Aufmerksamkeit generiert, zeigt die Etablierung einer neuen Kommunikationskultur in der heutigen Gesellschaft.»
Zudem betont der Marketing-Experte: «Nicht jede Werbung gefällt allen, das ist völlig normal.»
Auch Star-Werber Frank Bodin kann den Frust über die Postfinance-Werbung nicht verstehen. Er findet: «Die Kritik ist völlig übertrieben. Leute, die sich wegen eines solchen Sujets empören, werden aus jedem beliebigen Bild etwas Negatives interpretieren.»