Studie: 325 Persone wegen Klimaaktionen in Strafverfahren verwickelt
In vergangenen Jahren gab es immer mehr Aktionen von Klima-Aktivisten. Wie die Justiz darauf reagiert, hat eine «politische Dimension», besagt eine Studie.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit 2018 sind wegen Klimaprotesten mindestens 325 Personen in Strafverfahren verwickelt.
- Eine Studie zeigt: Kantone gehen sehr unterschiedlich mit den Aktionen um.
- Das Privateigentum würde bei Prozessen mehr geschützt als die Meinungsfreiheit.
Erstmals hat eine Studie den Umgang der Justiz mit Klimaaktionen seit 2018 untersucht. In diesem Zusammenhang haben Forscherinnen und Forscher der Universität Bern und Lausanne 150 verfügbare Gerichtsentscheide untersucht.
27 Aktionen, darunter Brückenblockaden, Critical Mass oder Besetzungen von Banken, umfasst die wissenschaftliche Publikation. 325 Personen sind laut den Autoren in Strafverfahren verwickelt, weil sie an solchen Aktionen teilgenommen haben. Die meisten Aktionen fanden in Waadt, Genf und Zürich statt.
Praxis der Kantone sehr unterschiedlich
Clémence Demay, Doktorin für Rechtswissenschaften und Co-Autorin der Studie, sagt gegenüber «Le Courrier»: «Die Praxis ist von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich. Aber in allen Fällen gibt es eine geringe Berücksichtigung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den Gerichtsentscheidungen.»
Das Strafgesetzbuch sei in der Schweiz vereinheitlicht, aber die Behörden wendeten es in den Kantonen nicht gleich an, so Demay.
Beispielsweise werden Strassenblockaden in Zürich als Delikt der Nötigung behandelt. Waadt und Genf behandeln dies eher als Behinderung von Diensten von allgemeinem Interesse und des Strassenverkehrsgesetzes.
Schutz von Privateigentum über Meinungsfreiheit
Das hat Auswirkungen auf die Verurteilung der Aktivisten und deren Strafregister, so die Forscherin. Jedoch sind viele der Prozesse noch nicht abgeschlossen – bisher kam es zu zwölf Verurteilungen, teilweise Freisprüchen. Es seien Siege, die einen oder zwei von mehreren Anklagepunkten betrafen, erklärt Demay. Und ein Teil der Freisprüche sei nicht endgültig.
Die Autorinnen und Autoren der Studie sprechen aufgrund der bisherigen Entscheidungen von «politischen Dimensionen». Bei der von Gerichten vorgenommenen Interessenabwägung würden die Meinungs- und Versammlungsfreiheit kaum berücksichtigt. «Dem Schutz des Privateigentums und den Interessen Dritter, wie der Bewegungsfreiheit auf öffentlichem Grund, wird ein grösseres Gewicht beigemessen. Diese Erwägungen sind jedoch politisch.»
Laut Demay haben polizeiliche Repressionsmassnahmen eine abschreckende Wirkung auf Aktivistinnen und Aktivsten. «Immer mehr Menschen haben Angst, sich an friedlichen Protestaktionen zu beteiligen, obwohl diese ein demokratisches Recht sind.»