Studie zeigt: Selbstbeherrschung kann unglücklich machen

Keystone-SDA
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Appenzell,

Wie wirkt sich strenge Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung auf Menschen und ihr Befinden aus? Macht es sie glücklicher? Forscher aus der Schweiz, Deutschland und Österreich kommen zum Schluss: Nein. Jedenfalls nicht jeden.

Sich selbst beherrschen und sich überwinden - das geniesst hohes gesellschaftliches Ansehen. Menschen, die allgemein eher aus dem Bauch heraus entscheiden, fühlen sich aber von sich selbst entfremdet, wenn sie ihre Bedürfnisse mittels Selbstbeherrschung unterdrücken. (Symbolbild)
Sich selbst beherrschen und sich überwinden - das geniesst hohes gesellschaftliches Ansehen. Menschen, die allgemein eher aus dem Bauch heraus entscheiden, fühlen sich aber von sich selbst entfremdet, wenn sie ihre Bedürfnisse mittels Selbstbeherrschung unterdrücken. (Symbolbild) - sda - Keystone/EPA DPA/ANDREAS ALTWEIN

Das Wichtigste in Kürze

  • Menschen, die eher «aus dem Bauch heraus» entscheiden, empfinden hohe Selbstbeherrschung als nicht authentisch und entscheiden sich bewusst dagegen.

Obst statt Süssigkeiten, Treppe statt Lift, arbeiten und lernen statt in der Sonne liegen: Selbstbeherrschung und Disziplin werden als zentrale Erfolgsfaktoren angesehen, um langfristige Ziele wie weniger Körpergewicht, mehr Fitness oder auch die nächste Sprosse auf der Karriereleiter zu erreichen. Aber fühlen wir uns wirklich immer besser und stärker, wenn wir Versuchungen widerstehen?

Dieser Frage gingen Carlos Alos-Ferrer von der Universität Zürich, Erik Hoelzl von der Universität Köln und Michail Kokkoris vom Institut für Marketing und KonsumentInnenforschung in Wien nach. Die Ergebnisse ihrer Studie machen deutlich, dass Selbstkontrolle nicht immer zu mehr Zufriedenheit mit einer Entscheidung führt. Viel eher kommt es dabei darauf an, was eine Person als legitime Grundlage für ihre Entscheidungen sieht. Die Studie wurde nun im Journal of Personality and Social Psychology publiziert.

In insgesamt elf Studien mit rund 3000 Teilnehmern untersuchten die Autoren, ob der Persönlichkeitstyp von Menschen eine entscheidende Rolle in der Empfindung von Selbstkontrolle spielt. Zum Beispiel mussten sich in einer der experimentellen Studien Studierende, die auf Diät waren, in einem Labor zwischen Schokolade und Karotten entscheiden und wurden anschliessend zu ihren Gefühlen befragt.

Die sogenannte «Laienrationalität» beschreibt dabei die Tendenz eines Menschen, seine Entscheidungen primär auf Basis rationaler Begründungen zu treffen anstatt auf Gefühlen. Die Ergebnisse der Studie zeigten: Menschen mit niedriger Laienrationalität, die eher intuitiv und gefühlsorientiert als rational Entscheidungen treffen, empfinden Selbstbeherrschung und das Widerstehen von Versuchungen weniger befriedigend als rationale Entscheider.

«Menschen, die sich bei Entscheidungen eher auf ihr Gefühl verlassen, empfinden sich selbst beim Verzichten weniger authentisch. Sie haben das Gefühl, ihre Bedürfnisse und ihr Verlangen zu unterdrücken und sich damit selbst zu betrügen. Paradoxerweise bedeutet demnach für sie der Verlust der Selbstbeherrschung gleichzeitig Selbstfindung. Umkehrt sehen Menschen mit hoher Laienrationalität Selbstbeherrschung als Rezept zum Glücklichsein», erklärt Kokkoris.

Gemäss der Studie ist Selbstbeherrschung nicht nur als Fähigkeit zu sehen, sondern auch als bewusste Entscheidung und Präferenz einer Person. «Aus unserer Studie lässt sich schliessen, dass wir möglicherweise nicht einfach die Kontrolle über uns verlieren und zum Beispiel Schokolade essen, sondern, dass wir uns bewusst gegen die Selbstkontrolle entscheiden, um uns selbst treu zu bleiben», so Kokkoris.

«Es bleibt unbestritten, dass Selbstkontrolle ein wichtiger Pfeiler unserer Gesellschaft ist, dennoch blieb in der Forschung bisher völlig unberücksichtigt, dass Selbstkontrolle nicht ausschliesslich als positiv empfunden wird.»

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