Sucht-Entscheid von Bundesgericht und seine Folgen

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Luzern,

Sucht wird künftig aus medizinischer Sicht als Krankheit eingestuft. Ein überfälliger Schritt, findet der Fachverband Sucht.

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Ein Mann hält eine Spritze in der Hand. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Bundesgericht in Luzern stuft Sucht als eine Krankheit ein.
  • Bei Experten begrüsst man den Entscheid.
  • Das Bundesamt ist vom Entscheid nicht überrascht.

Das Bundesgericht in Luzern hat entschieden: Demnach wird Sucht künftig aus medizinischer Sicht als Krankheit eingestuft. Damit sollen Suchterkrankungen gleich eingestuft werden, wie dies etwa bei psychischen Erkrankungen der Fall ist.

Grund für den Entscheid war ein konkreter Fall, in dem einem benzodiazepin- und opioidabhängigen Mann eine IV-Rente untersagt wurde. Das Bundesgericht hat nun die Beschwerde des Mannes gutgeheissen.

Entstigmatisierung von Suchtkranken

Bei Sucht Schweiz begrüsst man den Entscheid. Die geänderte Rechtsprechung sei zu begrüssen, weil sie der Stigmatisierung von Betroffenen entgegenwirke.

Bundesgericht Luzern
Das Bundesgericht in Luzern. (Archivbild) - Keystone

Auch beim Fachverband Sucht spricht man von einer Entstigmatisierung von Personen mit einer Suchterkrankung. Dies, «weil sie nicht anders behandelt werden, als Personen mit einer anderen psychischen oder physischen Erkrankung», erklärt der stellvertretende Generalsekretär Manuel Herrmann.

Der Entscheid sei ein überfälliger erster Schritt. «Er ist eine Anpassung an die medizinische, therapeutische und politische Realität», so Herrmann. Nun komme es sehr stark darauf an, wie er umgesetzt werde. «Es liegt an den IV-Ärzten oder auch an den Hausärzten, das ‹strukturierte Beweisverfahren› durchzuführen. Auch müssen die Sozialhilfe, die IV aber auch die Organisationen der Suchthilfe ihre Prozesse anpassen.»

Der Entscheid sei ein Schritt weg vom «Kässeli»-Denken zwischen Sozialhilfe und IV. Neu könne der Mensch stärker ins Zentrum rücken: «Eine Person, die arbeiten kann und will, wird das in Zukunft trotz ihrer Suchterkrankung tun können. Sie werden nicht mehr im Voraus einfach von der IV aussortiert oder zur Abstinenz gezwungen. Sie müssen auch nicht zuerst ihr Erspartes ausgeben, um Anspruch auf Sozialhilfe zu erhalten.»

BSV vom Urteil nicht überrascht

Beim Bundesamt für Sozialversicherungen BSV ist man vom Urteil nicht überrascht. Das Bundesgericht habe 2015 seine Rechtsprechung zu Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden angepasst. 2017 wurde die Rechtsprechung auf psychische Erkrankungen ausgeweitet. «Dass es diesen Schritt auch bei den Suchterkrankungen machen wird, war zu erwarten», meint dazu Sabrina Gasser, Mediensprecherin vom BSV.

Alkohol flaschen
Alkohol-Getränke-Flaschen. (Symbolbild) - Keystone

Man begrüsse es, «dass nun für alle möglichen Invaliditätsursachen das gleiche, strukturierte Beweisverfahren zur Anwendung gelangen kann.» Dies schaffe eine gleiche Ausgangslage für alle Versicherten.

Keine erheblichen Mehrkosten

Die finanziellen Auswirkungen könnten gemäss BSV nicht abgeschätzt werden, doch erwarte man «keine erheblichen Mehrkosten». Einerseits führe nicht jede Abhängigkeit zu einer Leistung der IV, sondern müsse im Einzelfall abgeklärt werden. Andererseits bestehe die Schadenminderungspflicht weiter. «Das heisst, wer eine Rente erhält, kann zu einer Therapie zur Verminderung oder Beseitigung der Abhängigkeit verpflichtet werden», so Gasser.

Das ändert sich durch den Entscheid

Gemäss BSV können sich Suchtkranke, die davon ausgehen, dass sie unter der neuen Rechtsprechung eine Leistung der IV zugute haben, bei der IV zur Leistungsabklärung anmelden. Eine Anmeldung bei der IV ist jederzeit möglich. Neu werden Suchterkrankungen mit anderen Krankheiten gleich behandelt.

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